CACABEY – Eine Astronomie-Hochschule im Jahre 1272

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Die Moschee Cacabey.

von Dön­dü Pektas

Wir befin­den uns 2610 km weit ent­fernt in Zen­tral­ana­to­li­en. Es han­delt sich hier­bei um die Stadt Kir­se­hir. Die­se tür­ki­sche Stadt in Zen­tral­ana­to­li­en befin­det sich etwa 156 km süd­öst­lich von der Haupt­stadt Anka­ra und erhielt ihren Namen auf­grund der Lage in einer kar­gen Step­pe (türk. „Kir Seh­ri“ = dt. „Step­pen­stadt“). Doch was ist an die­ser Stadt so beson­ders und interessant?

Moschee Cacabey
Bild 1: Moschee Cacabey

In ers­ter Linie denkt man sich hier­bei nichts beson­de­res, denn Moscheen gibt es in der Tür­kei in einer Viel­zahl. Doch neben der reli­giö­sen Bedeu­tung der Moschee tritt bei der Caca­bey Moschee eine wei­te­re his­to­ri­sche Bedeu­tung hin­zu, die heu­te bei­na­he in Ver­ges­sen­heit zu gera­ten scheint. Und zwar hat die­se Moschee noch eine ganz ande­re Geschich­te hin­ter sich, denn sie dien­te im Jah­re 1272 als Astro­no­mie-Hoch­schu­le und Stern­war­te.
Zur Lage der Caca­bey Moschee: Sie befin­det sich im Zen­trum von Kir­se­hir und wur­de 1272, zur Zeit der Sel­cu­ken, vom Herrn Cacao­g­lu Emir Nuret­tin als eine Stern­war­te bzw. Astro­no­mie-Hoch­schu­le kon­zi­piert. Die Medres­se erhielt so ihren Namen Caca­bey (dt. „Herr Caca“) und wur­de erst viel spä­ter in eine Moschee umge­wan­delt und mehr­mals renoviert.

Wer war eigentlich Cacabey?

Cacao­g­lu (= Sohn von Caca) Nuret­tin Cebrail wur­de 1240 in Kir­se­hir gebo­ren und war der Sohn des Emir Bahad­din Caca, wel­cher dem Volks­stamm der Cece­li ange­hör­te. Caca­bey war ein sehr aner­kann­ter, ehren­vol­ler und his­to­risch bedeu­ten­der Staats­mann.
Zunächst begann Caca­bey sei­ne Kar­rie­re als Emir in Eski­se­hir und wur­de dann zum Gou­ver­neur von Kir­se­hir.
Caca­bey sprach zu sei­ner Zeit alt­tür­kisch und woll­te unbe­dingt die alt­tür­ki­sche Spra­che, die tür­ki­sche Kul­tur und Kunst wei­ter­brin­gen und popu­la­ri­sie­ren. Daher ließ er die Astro­no­mie-Hoch­schu­le, wel­che für uns heu­te von sehr gro­ßer Bedeu­tung ist, errich­ten. In die­ser Hoch­schu­le wur­de sowohl das Alt­tür­ki­sche gelehrt, als auch Phi­lo­so­phie, Rechts­we­sen, Mys­tik, Mathe­ma­tik, Phy­sik und Che­mie. Außer­dem wur­den in der Medres­se die Ster­ne erforscht.
Mit 61 Jah­ren starb Caca­bey als er 1301 in einer Schlacht fiel. Sei­ne Lei­che wur­de nach Kir­se­hir gebracht und dort bestat­tet. Zu Ehren von Caca­bey wur­de links angren­zend zur Moschee sein Grab­mal errich­tet („Caca­bey Tür­be­si“; sie­he Bild 2).

Grabmal von Cacabey
Bild 2: Grab­mal von Cacabey

Die Bauweise der Astronomie-Hochschule:

Die Caca­bey Medres­se sym­bo­li­siert für sei­ne dama­li­ge Zeit ein ein­zig­ar­ti­ges archi­tek­to­ni­sches Bau­werk.
Heu­te kann man erken­nen, dass die Moschee aus glei­chen quad­er­för­mi­gen Stei­nen auf­ge­baut ist und dass das Bau­werk qua­dra­tisch geplant ist. Süd­west­lich vom Gebäu­de ist das 21 Meter hohe Mina­rett (Turm einer Moschee) zu erken­nen, wel­ches sepa­rat von der Moschee aus Zie­gel­stei­nen erbaut wur­de und im Jah­re 1272 als Obser­va­to­ri­um dien­te. Das Mina­rett besteht aller­dings nicht nur aus Zie­gel­stei­nen, son­dern es zie­hen sich zwei inter­es­san­te Mus­ter über das Mina­rett hin­weg, und zwar einer­seits ein Geflecht aus blau­en Kacheln und Zie­gel­stei­nen und and­rer­seits ober­halb des Geflechts ein Zick­zack-Mus­ter aus eben­die­sen blau­en Kacheln. (sie­he Bild 3)
Das cha­rak­te­ris­ti­sche Merk­mal an der Medres­se sind die drei Säu­len an der Fas­sa­de und an den Ecken, wel­che das Abfeu­ern und Abschie­ßen einer Rake­te sym­bo­li­sie­ren. (sie­he Bild 4 und 5)

Minarett
Bild 3: Mina­rett mit Kachelmuster

Rakete 1  Rakete 2

Bild 4 und 5: Rake­ten­för­mi­ge Säulen

An der nörd­li­chen Sei­te der Medres­se befin­det sich die Ein­gangs­tür, wel­che mit Inschrif­ten ver­ziert wur­de. Im tür­ki­schen wird die­se Ein­gangs­tür als „taç­kap?“ bezeich­net, da sie mit pracht­vol­len Moti­ven und Struk­tu­ren ver­se­hen ist und die Gestalt einer Kro­ne besitzt. Die „taç­kap?“ geht über die Fas­sa­de hin­aus und wur­de monu­men­tal erbaut. Sie besteht aus abwech­seln­den zwei­far­bi­gen Stei­nen, die gekrümmt in zwei Rei­hen über der Tür ver­lau­fen. (sie­he Bild 6)


Bild 6: „taç­kap?“

Eingangsbereich
Bild 7: Eingangsbereich

Hier steht als Inschrift in einer Zei­le „Bes­me­le“ und der 90. Koran­vers aus der „Nahl“ Sure. Eben­so sind an der Gebets­ni­sche und im Inne­ren des Grab­mals Inschrif­ten vor­han­den. An den bei­den äuße­ren Ecken der Vor­der­wand der Ein­gangs­tür befin­den sich zwei Reli­efs. Das eine Reli­ef sym­bo­li­siert dabei die Achs­nei­gung, d.h. den Win­kel zwi­schen der Rota­ti­ons­ach­se eines Him­mels­kör­pers und des­sen Umlauf­bahn. Und das ande­re Reli­ef sym­bo­li­siert den Äqua­tor. Unter­halb der Reli­efs sind zwei Kugeln zu erken­nen, wel­che den Mond und die Son­ne sym­bo­li­sie­ren sol­len.
Nach die­ser pracht­vol­len Ein­gangs­tür erreicht man den Innen­hof der Medres­se, wo sich auch der Brun­nen befin­det. Süd­lich vom Hof kann man ein Gebets­raum und zwei gegen­über­ste­hen­de Säu­len vor­fin­den, die durch das Auf­ein­an­der­set­zen von Kegeln und Kugeln ent­stan­den sind und an denen die Pla­ne­ten und das Son­nen­sys­tem dar­ge­stellt wer­den sol­len.
Zusätz­lich sind in der Medres­se meh­re­re Stu­den­ten­zim­mer vor­han­den, in denen z.B. Phi­lo­so­phie, Mathe­ma­tik, Phy­sik, usw. gelehrt und gelernt wur­de.
Da die Medres­se auch als Stern­war­te benutzt wur­de, wur­den eben­so die Ster­ne erforscht. Dies wur­de durch eine Öff­nung der Kup­pel und einen Brun­nen ermög­licht, wel­ches sich unmit­tel­bar unter­halb der Kup­pel befand. Somit wur­den die Ster­ne nachts auf die Was­ser­ober­flä­che des sich im Brun­nen befin­den­den Was­sers reflek­tiert und man konn­te die Gestir­ne und den Him­mel näher erkun­den und erforschen.

Innere der Moschee 1

Innere der Moschee 2
Bild 8 und 9: Inne­re der Moschee

Zu Ehren von Herrn Caca­bey wur­de im Nord­os­ten angren­zend an die Moschee sein Grab­mal erbaut (türk. „Caca­bey Tür­be­si“).
Die Medres­se wur­de mehr­mals von Stif­tun­gen restau­riert und dient heu­te sowohl als Moschee für die Bevöl­ke­rung als auch als eine Art Muse­um für Touristen.

Zusammenfassung:

Bereits ein Blick in die Ver­gan­gen­heit zeigt sehr deut­lich, dass die Him­mels­sphä­ren eine sehr wich­ti­ge Rol­le in allen frü­hen Kul­tu­ren spiel­ten. Es gibt Hin­wei­se dar­auf, dass schon vor Tau­sen­den von Jah­ren, lan­ge vor der Erfin­dung von Tele­sko­pen, astro­no­mi­sche Beob­ach­tun­gen exis­tier­ten. Bau­wer­ke wie die Pyra­mi­den oder auch Stone­henge in Eng­land sind in gewis­ser Hin­sicht ein­deu­tig als astro­no­mi­sche Monu­men­te ein­zu­stu­fen.
Auch die gro­ßen Welt­re­li­gio­nen haben viel­fach eine astro­no­mi­sche Kom­po­nen­te. Man den­ke nur an den Neu­mond im Islam oder den Stern von Beth­le­hem im Chris­ten­tum. Auch in der Caca­bey Moschee beschäf­tig­te man sich daher unter ande­rem mit der Astro­no­mie. Der Islam, als eine der Welt­re­li­gio­nen, soll­te nicht nur als Leit­fa­den für die Men­schen in ihrem All­tag die­nen und mit ihrem hei­li­gen Buch, dem Koran, den Men­schen erklä­ren, wie die Welt und das Uni­ver­sum ent­stan­den ist. Dane­ben soll­te auch Wis­sen­schaft in der Moschee betrie­ben wer­den, wie es der Koran im ers­ten Vers mit dem Wort „Ikra“ beschreibt, was soviel heißt wie „Lese!“ oder „Ler­ne!“ (im ara­bi­schen als Syn­onym ver­wen­det). Mit die­ser Wis­sen­schaft soll­te die in den Ver­sen des Korans beschrie­be­ne Ent­ste­hung des Uni­ver­sums unter­mau­ert wer­den. Der Him­mel, der von je her eine Fas­zi­na­ti­on bei Men­schen aus­löst, wird zum einen durch die reli­giö­se Kom­po­nen­te beschrie­ben, zum ande­ren durch wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se und Beob­ach­tun­gen durch die Men­schen und Gelehr­ten bekräf­tigt. Der für die Men­schen sicht­ba­re Him­mel und die dar­aus gewon­nen Erkennt­nis­se, sowie die phy­si­ka­li­schen und mathe­ma­ti­schen Geset­ze zeig­ten ein­deu­tig auf, dass die Ent­ste­hung des Uni­ver­sums nicht von Zufall erfolgt sein könn­te. Viel­mehr muss­te eine höhe­re Macht hin­ter die­sem in sich har­mo­ni­schen und per­fek­ten Uni­ver­sum ste­hen. Die­se For­schungs­ar­beit und deren Ergeb­nis­se führ­ten dazu, dass die Bevöl­ke­rung der Reli­gi­on gegen­über ein höhe­res Ver­trau­en hat­ten. Dies ist ver­ständ­lich, da auch heut­zu­ta­ge letzt­lich wis­sen­schaft­li­che Bewei­se von Nöten sind, um ein gewis­ses Ver­trau­en bei den Men­schen zu erwe­cken. Das Prin­zip der Medres­se Schu­len, wie sie an allen gro­ßen Moscheen prak­ti­ziert wur­de, wur­de auch in der Caca­bey Moschee ver­folgt, hier vor allem im Bereich der Astro­no­mie. Die Beob­ach­tung der Son­ne und des Mon­des ist z.B. für die Bestim­mung der täg­li­chen Gebets­zei­ten essen­ti­ell. Die­se jah­re­lan­gen Beob­ach­tun­gen und Auf­zeich­nun­gen führ­ten spä­ter zu mathe­ma­ti­schen Berech­nungs­me­tho­den oder For­meln, wodurch mitt­ler­wei­le die Gebets­zei­ten bereits im Vor­aus durch Berech­nung der Umlauf­bahn der Erde und des Mon­des bestimmt wer­den. Die Astro­no­mie in Ver­bin­dung mit der Theo­lo­gie führ­te also zu einer Wei­ter­ent­wick­lung und einer Erleich­te­rung der Prak­ti­zie­rung des Islam.