von Tabea Krauß
Professor A. Dondas Welt ist offensichtlich aus den Fugen geraten: Schwarze Linien, weiße Flecken und leuchtende Farbflächen verschmelzen zu einem verworrenen Teppich. Der Blick sinkt in starkes, blendendes Rot und schwimmt auf zartem Blaugrün. Verschachtelte Architekturen spinnen ein Bildgefüge. Kabel verwirren und verwickeln sich, zwischen perspektivisch verzogenen Häusern schießen Palmen empor. Einsame Figuren vegetieren hinter Bildschirmen, Schalthebeln und Druckknöpfen. Im Dschungel wuchern Überbleibsel der Zivilisation neben wilden Schlingpflanzen.
Benjamin Courtault, Student der Klasse für Buchgestaltung an der Berliner Universität der Künste, hat für den Insel-Verlag Stanislaw Lems sarkastisch-phantastische Untergangserzählung Professor A. Donda illustriert. Es ist die erste Einzelausgabe des Textes, der auf Deutsch bereits 1978 als Teil der erweiterten Sterntagebücher Lems erschien, und die erste illustrierte Ausgabe der Erzählung überhaupt.
Und tatsächlich, Professor A. Donda ist es wert, wiedergelesen zu werden. Auf weniger als 80 Seiten entwirft Lem eine Geschichte, die an Aktualität nicht verloren hat. Es geht um die Computerisierung der Gesellschaft und die Frage, wohin der Fortschritt schließlich führen wird. Lem lässt in bester Science-Fiction-Manier das gesamte System kollabieren. Sein schrulliger Professor A. Donda ist der Prophet des Untergangs einer auf Computer angewiesenen Zivilisation. Nur will ihm niemand glauben. Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft macht sich über seine Vorhersagen lustig und hält seine Forschungsergebnisse für fixe Ideen eines Verrückten.
Lems Erzählung ist sarkastisch und voller Kulturkritik. Seine Figuren sind verschrobene Wesen, die von einer abstrusen Situation in die nächste geraten. Das wird stellenweise ermüdend, zum Beispiel wenn seitenlang die von unglücklichen Zufällen geprägte, absurde Lebensgeschichte des Professors ausgebreitet wird. Da Lem in rasender Geschwindigkeit erzählt und unerheblichste Nebensächlichkeiten genüsslich aneinanderreiht, muss man konzentriert lesen, um den Zusammenhang nicht zu verlieren.
Benjamin Courtault gelingt es mit seinen zehn ganzseitigen Zeichnungen all das, was im Text steckt, ins Bild zu übertragen: Geschwindigkeit und Intensität, Absurdität und Komik. Wo der Text chaotisch zu werden droht, fesseln die Illustrationen gerade durch ihre radikale Unordnung und den unbändigen Duktus der zeichnenden Hand. Die zackige Linienführung erinnert an expressionistische Holzschnitte. Auch die Überlagerung der Farbflächen und die weißen Fehlstellen lassen an Holzschnitte oder andere Drucktechniken denken. Tatsächlich sind die Originale ohne druckgraphisches Verfahren entstanden, es handelt sich um reine Zeichnungen. Jedem fertigen Bild liegen drei Zeichnungen zugrunde, eine Zeichnung für jede verwendete Farbe, die für das Endergebnis digital übereinandergelegt wurden.
Allein der Bilder wegen lohnt sich der Blick ins Buch. Sie entfalten eine Kraft, die den Text fast überstrahlt. Und in die Insel-Bücherei-Reihe mit ihren liebevoll ornamental gestalteten Einbänden fügt sich Courtaults Endzeitdschungelvision auf dem Cover hervorragend ein. Dank des einheitlichen Einbandkonzepts der seit 1912 bestehenden Buchreihe darf man dann im Regal Lems Science-Fiction-Story neben Goethes Schönste Gedichte stellen.
Stanislaw Lem: Professor A. Donda
Mit Illustrationen von Benjamin Courtault und einem Nachwort von Matthias Reiner
Insel-Verlag 2012
86 Seiten