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Das neue Album Ententraum von International Music
von Leo Blumenschein
Sieht man sich eine Karte der deutschsprachigen Rockmusik an, sieht deren Topographie in ungefähr so aus: Auf den Gipfeln die von Kritiker*innen geliebten Bands „Tocotronic“ und „Element of Crime“, die irgendwie „sophistacated“ bleiben und in den breiten Tälern all diejenigen Musiker*innen, deren Texte zwar radiotauglich sind, aber auch allzu oft in klischeehaften Kitsch verfallen.
Die Ebenen zwischen Pop und Indie scheinen oft nur spärlich besetzt zu sein. Die drei Jungs von International Music entziehen sich dabei den Polen dieser Landschaft. Sie spielen weder für den vierzigjährigen Tocotronic-Fan in Adidas Sambas und mit Hornbrille, noch für eine unterbewusst spießige Annen-May-Kantenreit-Studentenschaft.
Als vor drei Jahren ihr Debütalbum Die besten Jahre herauskam, heimsten sie sich mit ihrem krachigen Post-Punk fleißig Lorbeeren ein. Nun erschien ihr zweites Album mit dem kryptischen Titel Ententraum. „Ich war ein Mensch, der im Schlaf geträumt hat, dass er eine Ente ist, die einen Wurm frisst“, heißt es in Karl Valentins Dialog „Ententraum“, auf den International Music anspielt.
Die Frage hierbei: Wie viele Stufen hat die Wirklichkeit? Und wie können wir von der einen auf die andere zugreifen? International Music greifen dabei jenes Valentin’sche Gemenge aus Philosophie und Komik auf. Spielerisch und ungreifbar sind dabei ihre Transformationen; dadaistische Lines und tiefgründige Weltbeobachtungen gehen Hand in Hand. Diese Textur des Textes hebt dabei die Zeilen, deren Sinn sich auch beim zweiten Anhören nicht erschließt, in eine Meta-Sphäre, in der alles irgendwie durchdacht scheint. „Zeig mir bitte, was in deiner Mitte ist, ich bitte dich, oh du mein Fürst von Metternich“, heißt es beispielsweise im hymnischen Fürst von Metternich.
Mit dieser Metaebene wird auch bewusst gespielt: „Und dann müsste eigentlich der Bass die Seiten schwingen lassen, Töne ineinandergreifen, Strophen schleifen. Hoch die Tassen! Und der Satz zuvor wird immer zu der ersten Zeile passen“, heißt es in Museum.
Hoch die Tassen! Ja, Ententraum hat viel von längst vergessenen Kneipenabenden, an denen der besoffene Trinker an der Bar auf einmal sein wahres Gesicht als genialer Philosoph zeigt. Das melancholische Beauty of the Bar ist nur die folgerichtige Lobpreisung der Band aus Essen. Überhaupt Essen – Rost und Müdigkeit als inoffizielles Motto der Stadt spiegelt sich auch in den Stimmen der beiden Singenden Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti wider.
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Der Gleichmut seiner Stimme trägt sanft durch das Album und schafft einen gewissen Flow, der alle männlichen Blues-Attitüden ins Lächerliche zieht. Drums und Gitarre harmonieren wunderbar damit. Straight und trotzdem lethargisch erschaffen sie einen Minimalismus, der noch am ehesten an Krautrockbands wie Neu! oder La Düsseldorf denken lässt. Aber auch an den Sound von Ethereal- und Post-Punkbands der 80er wie Jesus and Mary Chain oder Galaxy 500 können Erinnerungen geweckt werden. Insbesondere der Song Spiel Bass wirkt punkig. Dass auch Dudelsack (Fürst von Metternich) und Sitar eingesetzt werden, tut dem Minimalismus keinen Abbruch. Der Hörer ist geneigt auch hier eine Metabene zu erkennen. Irgendwie ist alles so meta, dass man manchmal Gefahr läuft die Orientierung zu verlieren. „Truth is not objective“, grummeln International Music in Misery. Für einfache politische Weisheiten oder pseudo-philosophischen Firlefanz ist kein Platz. Der Hörende muss sich schon selbst bewegen, wenn er sich durch das Album Erkenntnisse erhofft.
Ach ja, die Verbindung zu Essen ist übrigens maximal lose, schnuppe. Genauso schnuppe wie der „Fakt“, dass Krautrock, psychedelic Rock und Post-Punk doch schon lange tot sind.
So oder so, mit Tocotronic oder AnnenMayKantereit hat diese Platte wenig zu tun. Zu diesen verhält sich International Music wie The Velvet Underground zu den Beatles.
Alles in allem hat Ententraum viel Charme. Deutlich rätselhafter, aber auch melodiöser und abwechslungsreicher geben sich International Music auf ihrem zweiten Album. „Es geht um Atmosphäre“, teilen sie uns in Immer mehr mit. Es lohnt sich, das Album aufzulegen, eine Flasche der aristokratischen Weinbrause dazu ploppen zu lassen, und im Lauschen jene taphysische Mitte zu suchen, auf deren Spuren sich auch International Music mit ihrem Ententraum machen.