Wanda am 07.12.2022 im Augsburger Ostwerk
von Andreas Müller
Konzertabende im Augsburger Ostwerk haben mittlerweile absoluten Seltenheitswert. Dass das Potential, welches die Location für Livemusik bietet, an diesem kalten Dezemberabend ausgeschöpft wird, ist einer Kooperation mit der Kantine zu verdanken. Bevor es im Frühjahr durch die großen Hallen und im Sommer auf die Festivalbühnen des Landes geht, stellen Wanda aus Wien ihr neues Album Wanda auf einer Clubtour vor. Diese führt sie am 07. Dezember nach Augsburg in die Intimität des kleinsten Clubs der Konzertreise.
Es ist dabei nicht direkt überraschend, dass das Konzert in diesem Rahmen schon Wochen zuvor ausverkauft ist. Aufhorchen lässt dieser Zuspruch dennoch. Schließlich leiden zahlreiche Bands ähnlicher Größenordnung aktuell noch unter den Auswirkungen von Pandemie und Inflation und sind gezwungen, Konzerttermine und ganze Touren zu streichen. Umso mehr ist den Besucher*innen bereits auf dem Weg zum Ostwerk anzumerken, wie groß die Lust ist, endlich wieder Livemusik im ausverkauften Rahmen zu erleben.
Der perfekte Anheizer
So ist das Ostwerk bereits für den Support Act bestens gefüllt. Soeckers aus Münster nutzen diese Chance an Ort und Stelle. Britisch angehauchter Indie-Rock mit dominantem Bass und ein grundsympathisches Auftreten animieren die Besucher*innen von Anfang an zum Tanzen. Dass eine Vorband das Publikum zum Ende ihres Sets aber sogar erfolgreich für Mitsingspiele begeistern kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Spätestens jetzt sind zwei Dinge klar: Soeckers wissen schon in den frühen Jahren ihrer Karriere, wie man eine Crowd richtig anheizt. Und die Augsburger Crowd lässt sich gerne anheizen. Perfekte Voraussetzungen für einen gelungenen Konzertabend!
Don’t stop the rock!
„Wer Frauen begrabscht, kriegt aufs Maul!“. Noch bevor Wanda den ersten Ton gespielt haben, werden die Regeln aufgestellt. Wer hinfällt, wird aufgehoben. Egal, wie wild es wird, am wichtigsten ist es, aufeinander aufzupassen. Daran, dass es wild wird, lässt die Band rund um Sänger Marco Michael Wanda jedoch vom ersten Ton an keinen Zweifel. „Don’t stop the rock“ heißt es im Opener Rocking in Wien, dem Eröffnungstrack des selbstbetitelten aktuellen Albums der Wiener. Dieser Maßgabe folgen sowohl Band als auch Publikum in der Folge über eineinhalb Stunden lang. Während auch Songs wie Jurassic Park und Va bene verdeutlichen, dass sich das neue Material vor liebgewonnen Klassikern der früheren Alben nicht verstecken muss, zeigen sich Textsicherheit und Bewegungsfreude des Publikums dennoch klar bei den Hits der Band. Der gelebte Exzess bricht sich bei Luzia Bahn, als Marco Michael Wanda ein Bad in der Menge nimmt – nicht das letzte des Abends!
Dancing with tears in my eyes
Schon seit den Anfangstagen der Band gehen Melancholie und Lebensfreude in Stücken wie Schickt mir die Post, Auseinandergehen ist schwer oder auch dem jüngere Ciao Baby beinahe untrennbar miteinander einher. Wie besonders diese Symbiose ist, zeigt sich allerdings bei Immer willst du tanzen, das dem im September verstorbenen Keyboarder der Band, Christian Hummer, gewidmet wird. Auch der Abschlusstrack des nur wenige Tage nach seinem Tod veröffentlichten aktuellen Albums, Eine Gang, lädt dazu ein, innezuhalten, sich in den Armen zu liegen und an die zu denken, die nicht mehr da sind. Mit einer Träne im Knopfloch, aber nicht traurig.
…sag für Amore!
Für den Weg nach Bologna werden die letzten Tränen aus dem Gesicht gewischt. Das Augsburger Publikum zeigt, dass es für Amore steht. Nach dem großen Hit der Band und dem zeitlos schönen Liebeslied Columbo mobilisieren sowohl Band als auch Besucher*innen noch einmal alle Kräfte, um gemeinsam zu 1, 2, 3, 4 noch einmal komplett aus sich raus zu gehen. Unter lautstarken Wechselgesängen des Publikums endet schließlich ein schweißtreibender Konzertabend. Schon 2015 hat der Musikexpress Wanda als „vielleicht letzte wichtige Rock’n’Roll-Band unserer Generation“ bezeichnet – große Worte, an denen man als Band leicht scheitern kann. Wanda dagegen haben sich dieses Lob an die schmutzige Lederjacke geheftet und beweisen an diesem Abend, wie treffend diese Umschreibung ist.