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von Johanna Klingler
Nach Caroline Wahls erfolgreichem Debüt 22 Bahnen, waren die Erwartungen an Windstärke 17 groß und die Vorfreude entsprechend noch größer. Auch ich habe sehnsüchtig auf den 15. Mai gewartet, um endlich zu erfahren, wie es mit Tilda und Ida weitergeht. Sie sind die beiden Protagonistinnen aus dem Vorgänger-Roman. Beide leiden sie unter dem Alkoholismus der Mutter, jede auf ihre ganz eigene Art und Weise. Doch was sie verbindet, ist die Liebe zueinander und der Zusammenhalt, der ihre Schwesternbeziehung zu etwas ganz Besonderem macht und sie auch schwere Zeiten sowie große Hürden gemeinsam überstehen lässt. Am Ende des letzten Bandes konnte man die beiden Schwestern, ihre Geschichten und wie sie füreinander einstehen, nur ins Herz schließen.
In Wahls zweitem Roman gerät nun vor allem die jüngere Schwester Ida ins Zentrum der Handlung. Die Mutter ist mittlerweile aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit verstorben. Tilda lebt inzwischen mit ihrer eigenen kleinen Familie in Hamburg. Nur Ida weiß nicht wohin mit sich selbst, zu überwältigend sind ihre Emotionen und zu erdrückend die scheinbare Ausweglosigkeit ihrer aktuellen Lebenssituation. Der Tod der Mutter ist noch frisch, die prägenden Erlebnisse ihrer Kindheit präsent und die Angst vor der Zukunft allgegenwärtig. Zwischen all diesen Gefühlen versucht die Figur zu sich selbst zu finden. Sie flüchtet kurzerhand auf die Ostseeinsel Rügen, wo sie das Ehepaar Knut und Marianne kennenlernt, die sie fürsorglich bei sich aufnehmen. Ida erlebt eine aufwühlende und intensive Zeit, lernt Leif kennen und durchlebt auch hier viele Höhen und Tiefen. Vor allem jedoch gewinnt sie liebevolle Menschen, von denen auch jeder sein Päckchen zu tragen hat, deren Charaktere aber von Caroline Wahl mit so viel Wärme und voller Trost gezeichnet sind, dass sich die Geschichte, bei all der Wut und der erdrückenden Dunkelheit, anfühlt wie eine wohlige Umarmung. Idas Reise ist von jeder Menge Angst, Trauer, dem Abschiednehmen und dem Verzeihen geprägt. Dennoch sind da immer wieder diese warmen Momente der Zuversicht. Wahls präziser und reduzierter Schreibstil, der gleichzeitig von akkuraten Alltagsbeobachtungen gekennzeichnet ist, ist klar und dabei so fesselnd, dass es sich anfühlt, als stünde man selbst mit Ida und Leif an der tobenden Ostsee oder bei Knut und Marianne im Wohnzimmer.
Windstärke 17 war für mich, genauso wie bereits 22 Bahnen, definitiv ein Roman, von dem man sich wünscht, dass er niemals endet und steht zu Recht seit seiner Erscheinung auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste.