Ein Interview mit der Leiterin des Alqueva Dark Sky Programms in Portugal
von Helen Hockauf und Katharina Schiller
Eine eher außergewöhnliche Form des Tourismus bietet Dark Sky Alqueva mit seiner Hauptattraktion: dem Nachthimmel. Die Region der Great Lake Alqueva in Alentejo in Portugal ist ein wunderbarer Ort, um die Sterne, deren Konstellationen und ferne Galaxien wie die Milchstraße zu sehen. Das Programm bietet passend dazu geführte Touren mit allerlei (Nacht-)Aktivitäten an. In den Gemeinden Alandroal, Reguengos, Monsaraz, Mourão, Barrancos, Portel und Moura gewährleistet die sehr niedrige Lichtverschmutzung eine hervorragende Beobachtung des Kosmos. Die atmosphärischen Bedingungen dort ermöglichen fast das ganze Jahr über das sogenannte ‚Stargazing‘. Das Alqueva Dark Sky Programme gibt es seit 2009. 2011 erhielt Alqueva als erste das ‚Starlight Tourism Destination‘-Zertifikat der Starlight Foundation, die von der UNESCO, UNWTO und IAC unterstützt wird.
Apolónia Rodrigues (40) hat das Touristenprogramm entwickelt und koordiniert dessen Umsetzung. Sie ist ebenfalls Präsidentin der Organisation, Genuineland — Village Tourism | Alentejo Network of Village Tourism, die die Verantwortung für dessen Weiterentwicklung trägt. Im folgenden Interview stellt Apolónia Rodrigues das Dark Sky Programme und seine Besonderheiten vor und erzählt, warum es für sie und viele Reisende so besonders ist, in den Himmel zu schauen.
SCHAU INS BLAU: Was war und ist Ihre Motivation, Dark Sky Travelling ins Leben zu rufen und weiter zu betreiben?
APOLÓNIA RODRIGUES: Um das Programm zu betreiben und um global wettbewerbsfähig zu sein, ist auf jeden Fall ein Element nötig, in dem man sich von anderen unterscheidet. Wir mussten diejenigen Elemente finden, die das bewerkstelligen und die im Einklang mit den Trends der Nachfrage liegen. Da der Himmel der Alqueva-Region seine Qualität beibehält und wir dieses Produkt als nachgefragte Tendenz betrachteten, begannen wir 2009 das Alqueva Dark Sky Programm zu entwickeln.
Es ist ein Programm der Nachhaltigkeit für die ganze Region mit einer Größe von 3.000sp rund um den Great Lake Alqueva in Portugal herum. Dort haben wir neben anderen Produkten wie Alqueva– Land der mystischen Plätze und des Himmels ebenfalls eine Dark Sky Route entwickelt. Das Interesse der regionalen und nationalen Gemeinschaft zeigte uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren und Ende 2011 war unser Unternehmen weltweit das erste, das bisher das Starlight Tourism Destination-Zertifikat ausgehändigt bekam. Und das gab uns noch mehr Motivation, weiter zu machen.
SCHAU INS BLAU: Warum, glauben Sie, ist Dark Sky Travelling so beliebt?
APOLÓNIA RODRIGUES: Der Großteil der Bevölkerung hat keine Möglichkeit mehr, einen klaren Himmel zu erblicken. Der Himmel, die Sterne, die Planeten sind immer nur in unserem Geist, in unseren Gedanken. Durch Filme oder einfach durch ein natürliches Mysterium des Unbekannten war das Interesse am Himmel immer etwas Präsentes. Und weil man durch die Lichtverschmutzung den klaren Blick in den Himmel verliert, wird das Interesse, Plätze zu besuchen, bei denen der Himmel nach wie vor strahlend und voller Sterne ist, weiter ansteigen.
SCHAU INS BLAU: Warum gab es diesen Wunsch und das Programm vorher nicht? Ist es ein Phänomen unserer Zeit?
APOLÓNIA RODRIGUES: Da die Lichtverschmutzung früher kein großes Problem darstellte, denke ich, dass die Leute den Himmel nicht besonders vermisst haben oder nicht so berührt von ihm waren, wie heute. Jetzt, da die Lichtverschmutzung steigt, ist der klare Blick in den Himmel begrenzt und die Menschen werden sich darüber bewusst.
SCHAU INS BLAU: Was ist Ihr liebster Ort während des Dark Sky Travellings? Was sollte man unbedingt gesehen und was sollte man unbedingt gemacht haben?
APOLÓNIA RODRIGUES: Das Programm von Dark Sky umfasst Aktivitäten wie Sternschauen, aber nicht nur. Besucher können andere Nachtaktivitäten wie Kanufahren, Pferde Reiten, Spaziergänge, Vögel Beobachten, Massagen, Weinverkostung machen, die unberührte Natur Anschauen und vieles weitere…
SCHAU INS BLAU: Wie kann man sich bei Ihnen anmelden? Welche Touren kann man buchen?
APOLÓNIA RODRIGUES: Über unsere Internetseite ist es möglich, die zertifizierten Unternehmen zu sehen, die unseren Service anbieten. Da wir als Starlight Tourism Destination zertifiziert sind, können nur geprüfte Unternehmer, die auf unserer Internetseite zu finden sind, Astro-Tourist-Angebote bereitstellen. Unser Service bietet Touren, die von den Unternehmern bereits geplant sind oder man fragt nach einer Tour, die dann speziell organisiert wird. Zwischen Mittwoch und Sonntag, von 23 bis 2 Uhr, gibt es auch Sternschau-Aktivitäten in einem unserer Häuser, Haus Saramago, in Telheiro/Monsaraz. Unsere Internetseite lautet www.darkskyalqueva.com. Per Email sind wir unter Alqueva.darksky@gmail.com zu erreichen.
SCHAU INS BLAU: Welche Sterne kann man besonders gut sehen?
APOLÓNIA RODRIGUES: Naturgemäß die hellsten, die wir am Himmel haben. In unserer nördlichen Hemisphäre kann man das ganze Jahr über den Großen Wagen einfach identifizieren, im Sommer sieht man das Sommerdreieck, mit den Sternen Deneb, Wega und Altair. Den Stern Antares in der Sternenkonstellation Skorpion. Im Winter sieht man den hellsten Stern der gesamten Himmelhemisphäre, den Stern Sirius, ebenso wie die Konstellation Orion, die Pleiaden etc.
SCHAU INS BLAU: Was ist das Besondere: Der Himmel, die Sterne, die Galaxien oder das Dunkel?
APOLÓNIA RODRIGUES: Ich denke, was am Himmel am meisten heraussticht und die Hauptattraktion darstellt, ist tatsächlich die Milchstraße, im Kontrast zu der Dunkelheit, die unser Dark Sky Alqueva charakterisiert. In den Astro-Fotos unseres offiziellen Astro-Fotografen Miguel Claro wird es eindeutig: die Milchstraße und die Verbindung zwischen unserer Landschaft und Monumenten und diesem schwarzen Himmel.
SCHAU INS BLAU: Warum sollte man in den Himmel schauen?
APOLÓNIA RODRIGUES: Vielleicht weil wir kontinuierlich nach Antworten suchen. Die Fragen nach den Gründen für unsere Existenz und warum es im Himmel mit dem Urknall begann, sind sicherlich ein Teil davon. Man findet versteckte Antworten, die die Wissenschaft Stück für Stück entdeckt, und es unterstützt uns in der großen Frage danach, wo wir herkommen… und wo wir hingehen. Auf der anderen Seite ist das Universum in seiner Schönheit auch unendlich.
SCHAU INS BLAU: Gibt es eine besondere Beziehung zwischen Mensch und Kosmos?
APOLÓNIA RODRIGUES: Ja, tatsächlich. In der Vergangenheit wurden die Sterne dazu benutzt, die Navigation zu unterstützen und die Menschen zu leiten. Die megalithischen Denkmäler sind ebenfalls nach den Sternen ausgerichtet. Das ist jetzt die neue Verbindung, die wir dem Wissen der Menschheit bringen.
SCHAU INS BLAU: Ist der Himmel für den Menschen eine moralische bzw. ethische Instanz?
APOLÓNIA RODRIGUES: Ich denke beides. Es ist wichtig, die Sicht auf den schwarzen Himmel, der voll ist mit Sternen, der uns kontinuierlich das Unbekannte weiter träumen lässt, zu schützen…
Wenn man es nicht tut, werden die Menschen in wenigen Generationen denken, dass es nur wenige Sterne am Himmel gibt, weil die erhöhte Lichtverschmutzung sie davon abhält, sie zu sehen. Wenn man Licht besser benutzt, kann man den Boden beleuchten und beschützen und einen dunklen und sternenbehangenen Himmel haben. Mit der richtigen Einstellung und der korrekten Lichtnutzung können wir beides haben.
Apolónia Rodrigues (40) leitet das Alqueva Dark Sky Programm in Portugal seit 2011. Sie hat einen Abschluss in ‘Management and Planning in Tourism’ der Universität Aveiro. Sie hat bereits bei mehreren internationalen Projekten gearbeitet, unter anderem beim European Network of Village Tourism, dessen Koordinatorin sie seit 2003 ist. 2007 wurde das Netzwerk mit dem Ulysses Award ausgezeichnet. Seit 2008 ist sie Präsidentin der Non-Profit-Organisation Genuineland – Village Tourism | Alentejo Network of Village Tourism.
Sie engagiert sich dazu in weiteren Bereichen in der europäischen Tourismusbranche, wie der Europäischen Kommission Tourism Sustainability Group und ist als technische Beraterin für die Etablierung neuer Produkte im Touristikbereich tätig.
Sie hat mehrere Artikel in Magazinen und Büchern veröffentlicht und macht gerade ihren PhD in ‚Tourism‘ an der Universität Algarve.