© Heinrike Helm
von Sophie Fichtner
„Fünf, Vier, Zwei, Drei, Eins, Nuuhuull, Ich kooomeee“, hallt es irgendwoher.
Bin versteckt, doch krieche noch weiter hinein in meinen sicheren Unterschlupf. Meine Arme und Beine sind nah an meinem Körper gepresst. Unsichtbar gemacht. Verrate mich nicht. Suche Sicherheit in meinem Versteck.
Vor ihr.
Er geht knapp an mir vorbei. Halte meinen Atem flach. Man hört mich nicht. Stille. Trotzdem bleibt er direkt vor meinem Versteck stehen. Schritt, Schritt, Schritt … Schritt, Schritt, Schritt. Weiter. Die Gefahr ist gebannt.
Vor ihr.
Kauere in meinem Schlupfloch. Immer mehr Menschen werden aus ihren Verstecken gerissen. Plötzlich werde auch ich rausgezogen. Ruhe und Dunkelheit weicht grellem, blendendem Licht. Sätze und Gesprächsfetzen stürzen auf mich ein wie Lichtblitze. Ich kann sie nicht zuordnen;
Fotobuch kaufen, Wäsche aufhängen, NEIN erst waschen, essen, E‑Mails schreiben, erwachsen werden, Geld anlegen, neuen Ofen? saugen, wischen, putzen, IMMER FREUNDLICH BLEIBEN! Seinen Mann stehen, aber du bist doch eine Frau! Da muss ich erst im Kalender nachschauen. Auto zur Inspektion bringen, Texte lesen, Bildung ist wichtig! Um wie viel Uhr?
Bin überfordert, will nicht hier sein. Will wieder zurück in mein sicheres Versteck. Zurückgedreht in die Leere. Es ist weg. Stattdessen nur noch mehr Licht, nur noch mehr Satzfetzen, die an mir vorbei rasen. Fange an zu laufen, dann zu rennen, die Fetzen verfolgen mich, fangen mich ein. Kann nicht fliehen. Will verschwinden, nicht existieren, mich verstecken.
Vor der Welt.