Kritik zu Gretchen 89ff der Theatergruppe OnStage
von Clara Eisenreich
Was passiert hinter den Kulissen eines Theaterstücks — versteckt vor den Augen der Zuschauer*innen? Wie ist die Zusammenarbeit zwischen exzentrischen Schauspieler*innen und alteingesessenen Regisseuren, wenn zwischendrin noch eine Dramaturgin versucht, ihre Träume zu verwirklichen? Mit Gretchen 89ff nach Lutz Hübner unter Regie von Philipp Bonaventura präsentiert sich die neu geformte Theatergruppe “Augsburg Onstage” aus Student*innen der Universität Augsburg und Neueinsteiger*innen in das Berufsleben erstmals gemeinsam auf der Bühne.
Eine Erzählerin begleitet das Publikum entlang der Szenen, die durch Blackouts abgetrennt sind. Dabei gibt sie Insiderinformationen über stereotypisierte Figuren, die bei den Proben zur Kästchenszene aus Faust I, “Seite 89 ff”, begleitet werden.
Das Publikum lernt dabei verschiedene Regisseure, Schauspieler*innen, eine Dramaturgin sowie einen Hospitanten kennen. Das Stück beschäftigt sich mit der Entstehung einer Inszenierung und wirft einen Blick hinter die Kulissen. Die dargestellten Schablonen kennt man wahrscheinlich nicht nur aus dem Kunst- und Kulturbereich, sondern auch aus dem Geisteswissenschaftsstudium: Unter anderem ein von philosophischen Ideen angetriebener, junger Regisseur, der nicht das “Schöne”, sondern das “Wahre” in der Kunst sucht. Daneben berichtet ein von sich selbst sehr überzeugter Etablierter der alten Schule lieber von seinen eigenen Erfolgen anstatt sich mit dem Vorsprechen der Schauspielerin zu beschäftigen. Der Freigeist erkennt im Kästchen ein Phallussymbol — ohne Widerrede! Im Kontrast zu ihm stehen die anderen Schauspieler*innen: Die eine nach ihrer Ausbildung an der Schauspielschule neu am Theater und nicht nur voller Euphorie, sondern auch voller Ideen; die andere eine vom eigenen Talent überzeugte Diva, die alles besser zu wissen scheint; und auch der junge Schauspieler, der sich mit 450€ Jobs über Wasser hält, um dennoch seinen Traum von der Schauspielerei verfolgen zu können, ist mit von der Partie. Hinzu kommen noch der Hospitant, ein Germanistik-Studi, der gerne neugierige Fragen stellt, sowie die Dramaturgin, die mit viel Überzeugung eine Neuinterpretation des Textes auf die Bühne bringen möchte. Sie alle versuchen in verschiedenen Figurenkonstellationen ihre Version der Kästchenszene aus Faust I auf die Bühne zu bringen und scheitern daran, ihre Vorstellungen unter einen Hut zu bekommen.
Auch wenn die Komödie für einige Lacher im Publikum gesorgt hat, werden genauso die Schattenseiten des Arbeitens im Kunst- und Kulturbereich aufgezeigt: Die Abhängigkeit von positiven Kritiken und medialer Präsenz, Konkurrenzkampf, Existenzkrisen sowie Selbstzweifel prägen die Figuren. Doch eins haben sie gemeinsam: Sie gehen ihrer Passion nach – ebenso wie “Augsburg Onstage”, die uns noch am 28. und 29. Januar 2022 jeweils um 20.00 Uhr humorvoll von der Realität des Theaters erzählen.