KI und die Künste – eine dreifältige Annäherung

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Eine kurze Rezension zum Handbuch Künstliche Intelligenz und die Künste, ein darauf basierendes Interview von und mit ChatGPT sowie ein Gespräch mit der Herausgeberin des Handbuchs Stephanie Catani

von Nina Gretschmann

Zum Handbuch Künstliche Intelligenz und die Künste

Künst­li­che Intel­li­genz ist im Jahr 2024 aus wis­sen­schaft­li­chen Dis­kur­sen nicht mehr weg­zu­den­ken. Dass KI auch in der Kunst – in den Küns­ten – eine Rol­le spielt und das schon viel län­ger, als man viel­leicht anneh­men könn­te, zeigt die Lite­ra­tur- und Medi­en­wis­sen­schaft­le­rin Ste­pha­nie Cata­ni in dem von ihr im Dezem­ber 2023 her­aus­ge­ge­be­nen Hand­buch Künst­li­che Intel­li­genz und die Küns­te.

„Von anti­ken Mythen über roman­ti­sche und fan­tas­ti­sche Ent­wür­fe bis zu dys­to­pi­schen Ima­gi­na­tio­nen in moder­ner und post­mo­der­ner Sci­ence-Fic­tion: Die Idee künst­li­chen Lebens und Künst­li­cher Intel­li­genz hat die Küns­te seit jeher beschäf­tigt, lan­ge bevor der Begriff der Künst­li­chen Intel­li­genz Ein­gang in die Wis­sen­schaf­ten und den öffent­li­chen Dis­kurs gefun­den hat.“ (Ein­lei­tung, KI und die Küns­te)

Wel­chen his­to­ri­schen Ein­fluss die Idee des künst­li­chen Lebens sowie der künst­li­chen Intel­li­genz auf die Küns­te – spe­zi­ell auf Lite­ra­tur, Thea­ter, Film, zeit­ge­nös­si­scher Kunst sowie Gam­ing – genom­men hat, wird im ers­ten Teil des Hand­buchs fun­diert aus­ge­führt. Der zwei­te Teil wid­met sich der Fra­ge, wie KI im künst­le­ri­schen Schaf­fens­pro­zess als Werk­zeug genutzt wer­den kann. Im drit­ten Teil des Hand­buchs wird auf ein­zel­ne Dis­kur­se sowie Kon­tex­te, wie bei­spiels­wei­se die Fra­ge der Autor*innenschaft, der Krea­ti­vi­tät oder auch der Ethik im Zusam­men­hang mit KI, ein­ge­gan­gen. Der abschlie­ßen­de Teil des Hand­buchs zeigt exem­pla­ri­sche Analysen.

Durch die­se Glie­de­rung wird ein umfas­sen­der Blick auf die his­to­ri­sche sowie gegen­wär­ti­ge Rol­le der Künst­li­chen Intel­li­genz in den ver­schie­de­nen Berei­chen der Kunst gewor­fen. Eine kla­re Lese­emp­feh­lung für alle KI- und Kunstinteressierten!

© De Gruyter
© De Gruyter 

Interview von und mit ChatGPT (März 2024)

Möch­te man als Schau­ins­blau-Redak­teu­rin die Lite­ra­tur- und Medi­en­wis­sen­schaft­le­rin Ste­pha­nie Cata­ni, die seit 2021 den Lehr­stuhl für Neue­re deut­sche Lite­ra­tur­ge­schich­te an der Juli­us-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Würz­burg lei­tet, dazu inter­view­en, könn­te man sich hier­für selbst Fra­gen über­le­gen. … Oder: Man beauf­tragt ChatGPT damit, Fra­gen zum Hand­buch Künst­li­che Intel­li­genz und die Küns­te zu gene­rie­ren, um auf die­se Wei­se die KI „zu Wort“ kom­men zu las­sen. Es wäre schließ­lich durch­aus inter­es­sant, zu wis­sen, wel­che Fra­gen eine KI zu die­sem The­ma stel­len wür­de. Noch inter­es­san­ter wäre es aller­dings, wenn man in einem nächs­ten Schritt die Fra­gen von ChatGPT selbst beant­wor­ten lie­ße. Wie „beant­wor­tet“ eine KI Fra­gen zum The­ma „Künst­li­che Intel­li­genz und die Küns­te“. Im Fol­gen­den fin­det sich ein Aus­zug eines von und mit ChatGPT geführ­ten Inter­views. [ChatGPT hat­te Zugriff auf das Inhalts­ver­zeich­nis des Hand­buchs und soll­te dar­auf basie­rend Fra­gen gene­rie­ren. Anschlie­ßend wur­den die­se Fra­gen als Prompt an ChatGPT gestellt und von der KI beant­wor­tet. Anm. d. Red.]

ChatGPT

Wie ver­än­dert die Inte­gra­ti­on von Künst­li­cher Intel­li­genz das Kon­zept der Autor­schaft in der Lite­ra­tur und ande­ren künst­le­ri­schen For­men, und wel­che Fra­gen wirft dies bezüg­lich der krea­ti­ven Ver­ant­wor­tung auf?

ChatGPT

Die Inte­gra­ti­on von Künst­li­cher Intel­li­genz ver­än­dert das Kon­zept der Autor­schaft in der Lite­ra­tur und ande­ren künst­le­ri­schen For­men, indem sie die tra­di­tio­nel­le Vor­stel­lung des Ein­zel­nen als allei­ni­ger Schöp­fer in Fra­ge stellt. KI kann aktiv am krea­ti­ven Pro­zess teil­neh­men, von der Gene­rie­rung von Tex­ten bis hin zur Erstel­lung von Kunstwerken.

Die­se Ver­än­de­rung wirft Fra­gen bezüg­lich der krea­ti­ven Ver­ant­wor­tung auf. Wenn KI-Sys­te­me an der Pro­duk­ti­on von Kunst betei­ligt sind, stellt sich die Fra­ge nach der Zuschrei­bung von Autor­schaft. Wer ist der “ech­te” Schöp­fer: der Mensch, der die KI pro­gram­miert hat, der Algo­rith­mus selbst oder die Kom­bi­na­ti­on aus bei­dem? Dies wirft ethi­sche und recht­li­che Fra­gen auf, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf Aner­ken­nung, Urhe­ber­recht und geis­ti­ges Eigentum.

Dar­über hin­aus könn­ten Fra­gen zur krea­ti­ven Ver­ant­wor­tung ent­ste­hen, wenn KI-Sys­te­me uner­wünsch­te oder pro­ble­ma­ti­sche Inhal­te gene­rie­ren. Wer trägt die Ver­ant­wor­tung für poten­zi­ell kon­tro­ver­se oder ethisch frag­wür­di­ge Wer­ke, die von KI geschaf­fen wur­den? Dies erfor­dert eine genaue Unter­su­chung der Gren­zen und der ethi­schen Rah­men­be­din­gun­gen bei der Inte­gra­ti­on von KI in künst­le­ri­sche Prozesse.

ChatGPT

Wel­che Rol­le spielt KI in der För­de­rung oder Beein­träch­ti­gung von krea­ti­ven Pro­zes­sen, und wie kön­nen Künst­ler und Künst­le­rin­nen ihre eige­ne Krea­ti­vi­tät in Zusam­men­ar­beit mit KI definieren?

ChatGPT

Die Rol­le von KI in der För­de­rung oder Beein­träch­ti­gung von krea­ti­ven Pro­zes­sen ist kom­plex und hängt von ver­schie­de­nen Fak­to­ren ab. KI kann als mäch­ti­ges Werk­zeug die­nen, um Künst­lern neue Inspi­ra­tio­nen, Per­spek­ti­ven und Mög­lich­kei­ten zu bie­ten. Durch auto­ma­ti­sier­te Pro­zes­se, gene­ra­ti­ve Algo­rith­men und maschi­nel­les Ler­nen kön­nen KI-Sys­te­me krea­ti­ve Inputs lie­fern und den krea­ti­ven Pro­zess beschleunigen.

Auf der ande­ren Sei­te könn­te die Abhän­gig­keit von KI auch als Beein­träch­ti­gung wahr­ge­nom­men wer­den, ins­be­son­de­re wenn sie als Ersatz für mensch­li­che Krea­ti­vi­tät betrach­tet wird. Es könn­ten Beden­ken bezüg­lich der Authen­ti­zi­tät und des per­sön­li­chen Aus­drucks aufkommen.

Künst­ler und Künst­le­rin­nen kön­nen ihre eige­ne Krea­ti­vi­tät in Zusam­men­ar­beit mit KI defi­nie­ren, indem sie bewusst ent­schei­den, wie sie die­se Tech­no­lo­gie in ihren Pro­zess inte­grie­ren. Das Ver­ständ­nis, dass KI ein Werk­zeug und kein Ersatz für mensch­li­che Krea­ti­vi­tät ist, ermög­licht es Künst­lern, die Kon­trol­le über ihre künst­le­ri­sche Visi­on zu behal­ten. Die Zusam­men­ar­beit kann als eine erwei­ter­te Form der krea­ti­ven Part­ner­schaft betrach­tet wer­den, bei der Künst­ler die Füh­rung behal­ten und die Mög­lich­kei­ten von KI nut­zen, um ihre krea­ti­ven Zie­le zu errei­chen. Es erfor­dert eine akti­ve Gestal­tung der Bezie­hung zwi­schen Künst­ler und Technologie.

ChatGPT

Wie las­sen sich ethi­sche Über­le­gun­gen in Bezug auf den Ein­satz von KI in den Küns­ten in den Dis­kurs inte­grie­ren, und wel­che Ver­ant­wor­tung tra­gen Künst­ler, For­scher und die Gesell­schaft dabei?

ChatGPT

Die Inte­gra­ti­on ethi­scher Über­le­gun­gen in den Dis­kurs über den Ein­satz von KI in den Küns­ten ist ent­schei­dend und erfor­dert die akti­ve Betei­li­gung von Künst­lern, For­schern und der Gesell­schaft. Eini­ge Aspek­te könn­ten berück­sich­tigt werden:

  1. Trans­pa­renz und Ver­ständ­lich­keit: Künst­ler und For­scher könn­ten sich für trans­pa­ren­te Ent­wick­lungs­pro­zes­se ein­set­zen, um die Funk­ti­ons­wei­se von KI-Sys­te­men für die Öffent­lich­keit ver­ständ­lich zu machen. Dies trägt dazu bei, Ver­trau­en auf­zu­bau­en und ethi­sche Beden­ken zu minimieren.
  2. Inklu­si­on und Diver­si­tät: Die Ver­ant­wor­tung besteht dar­in, sicher­zu­stel­len, dass KI-gestütz­te Kunst­wer­ke und Anwen­dun­gen divers und inklu­siv sind. Die Ent­wick­lung von KI-Sys­te­men soll­te ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven und kul­tu­rel­le Kon­tex­te berück­sich­ti­gen, um poten­zi­el­le Ver­zer­run­gen und Dis­kri­mi­nie­rung zu vermeiden.
  3. Daten­schutz und Pri­vat­sphä­re: Künst­ler und For­scher soll­ten dar­auf ach­ten, dass bei der Nut­zung von KI kei­ne Ver­let­zun­gen des Daten­schut­zes oder der Pri­vat­sphä­re auf­tre­ten. Die Gesell­schaft trägt die Ver­ant­wor­tung, kri­tisch zu hin­ter­fra­gen, wie ihre Daten ver­wen­det wer­den und wel­che Aus­wir­kun­gen dies auf ihre Pri­vat­sphä­re hat.
  4. Men­schen­rech­te und Ethik in der Kunst: Die Ver­ant­wor­tung umfasst die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te und ethi­scher Grund­sät­ze in der künst­le­ri­schen Pra­xis. KI soll­te nicht dazu genutzt wer­den, Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu för­dern oder ethisch frag­wür­di­ge Inhal­te zu generieren.
  5. Par­ti­zi­pa­ti­on der Gesell­schaft: Die Gesell­schaft spielt eine Schlüs­sel­rol­le, indem sie aktiv am Dis­kurs teil­nimmt, und ihre Beden­ken, Wer­te und Erwar­tun­gen äußert. Ein par­ti­zi­pa­ti­ver Ansatz gewähr­leis­tet, dass ver­schie­de­ne Stim­men gehört wer­den und ethi­sche Prin­zi­pi­en im Ein­klang mit den gesell­schaft­li­chen Wer­ten stehen.

Ins­ge­samt tra­gen Künst­ler, For­scher und die Gesell­schaft gemein­sam die Ver­ant­wor­tung, ethi­sche Über­le­gun­gen in den Dis­kurs ein­zu­brin­gen und sicher­zu­stel­len, dass der Ein­satz von KI in den Küns­ten im Ein­klang mit grund­le­gen­den ethi­schen Prin­zi­pi­en steht.

ChatGPT

Wel­che Aus­wir­kun­gen hat der Ein­satz von KI auf geschlechts­spe­zi­fi­sche Aspek­te in der Kunst, und wie kön­nen Künst­li­che Intel­li­genz-Sys­te­me dazu bei­tra­gen, geschlechts­spe­zi­fi­sche Ste­reo­ty­pen zu über­win­den oder zu verstärken?

ChatGPT

Der Ein­satz von KI in der Kunst kann sowohl posi­ti­ve als auch nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf geschlechts­spe­zi­fi­sche Aspek­te haben. Hier sind eini­ge Überlegungen:

Posi­ti­ve Auswirkungen:

  1. Viel­falt in der Dar­stel­lung: KI kann dazu bei­tra­gen, eine brei­te­re Viel­falt von Geschlech­ter­re­prä­sen­ta­tio­nen in Kunst­wer­ken zu för­dern, indem es ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven und Aus­drucks­for­men berücksichtigt.
  2. För­de­rung von Künst­le­rin­nen: Künst­li­che Intel­li­genz könn­te dazu bei­tra­gen, Bar­rie­ren für weib­li­che Künst­le­rin­nen zu über­win­den, indem es Platt­for­men schafft, auf denen ihre Wer­ke aner­kannt und geför­dert werden.

Nega­ti­ve Auswirkungen:

  1. Ver­stär­kung von Ste­reo­ty­pen: Wenn KI-Sys­te­me auf Daten trai­niert wer­den, die geschlechts­spe­zi­fi­sche Ste­reo­ty­pen ent­hal­ten, besteht die Gefahr, dass die­se in den gene­rier­ten Kunst­wer­ken wider­ge­spie­gelt und sogar ver­stärkt werden.
  2. Vor­ein­ge­nom­men­heit in Algo­rith­men: Wenn die Daten­sät­ze, die zur Schu­lung von KI-Sys­te­men ver­wen­det wer­den, vor­ein­ge­nom­men sind, kön­nen Algo­rith­men ver­zerr­te Ergeb­nis­se lie­fern und geschlechts­spe­zi­fi­sche Ungleich­hei­ten verstärken.

Mög­li­che Ansät­ze zur Über­win­dung von Stereotypen:

  1. Diver­si­tät in den Daten­sät­zen: Künst­ler und Ent­wick­ler kön­nen dar­auf ach­ten, diver­se Daten­sät­ze zu ver­wen­den, die eine Viel­zahl von Geschlech­ter­iden­ti­tä­ten und ‑aus­drü­cken reprä­sen­tie­ren, um vor­ein­ge­nom­me­ne Ergeb­nis­se zu minimieren.
  2. Bewusst­sein schär­fen: Es ist wich­tig, das Bewusst­sein für geschlechts­spe­zi­fi­sche Ste­reo­ty­pen zu schär­fen und sicher­zu­stel­len, dass KI-Sys­te­me dar­auf aus­ge­legt sind, die­se zu über­win­den, anstatt sie zu verstärken.
  3. Par­ti­zi­pa­ti­on aller Geschlech­ter: Die Ein­bin­dung von Künst­le­rin­nen, For­sche­rin­nen und Exper­tin­nen in den Ent­wick­lungs­pro­zess von KI-Sys­te­men för­dert eine geschlech­ter­ge­rech­te Per­spek­ti­ve und trägt dazu bei, ste­reo­ty­pe Dar­stel­lun­gen zu vermeiden.

Ins­ge­samt hängt die Wir­kung von KI auf geschlechts­spe­zi­fi­sche Aspek­te in der Kunst stark von der Her­an­ge­hens­wei­se an Design, Schu­lung und Anwen­dung ab. Ein bewuss­ter und ethi­scher Umgang mit die­sen Tech­no­lo­gien ist ent­schei­dend, um posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen zu för­dern und nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen zu minimieren.

NG

Du nennst mög­li­che Ansät­ze zur Über­win­dung von Ste­reo­ty­pen: “Diver­si­tät in den Daten­sät­zen”, “Bewusst­sein schär­fen” und “Par­ti­zi­pa­ti­on aller Geschlech­ter”. War­um hast du dich für die­se Ansät­ze ent­schie­den? Wie stark ist die Gesell­schaft des 21. Jahr­hun­derts von Ste­reo­ty­pen beein­flusst? Ant­wor­te bit­te auf bei­de Fragen. 

ChatGPT

Aus­wahl der Ansätze:

  1. Diver­si­tät in den Daten­sät­zen: Die Aus­wahl die­ses Ansat­zes basiert auf der Tat­sa­che, dass die Trai­nings­da­ten, die für KI-Algo­rith­men ver­wen­det wer­den, einen erheb­li­chen Ein­fluss auf die Ergeb­nis­se haben. Durch die Inte­gra­ti­on diver­ser Daten kann die Ver­zer­rung redu­ziert wer­den, um mehr­di­men­sio­na­le und rea­lis­ti­sche­re Model­le zu erstellen.
  2. Bewusst­sein schär­fen: Die Sen­si­bi­li­sie­rung für geschlechts­spe­zi­fi­sche Ste­reo­ty­pen ist ent­schei­dend, da vie­le Men­schen die­se Ste­reo­ty­pen mög­li­cher­wei­se unbe­wusst inter­na­li­siert haben. Ein erhöh­tes Bewusst­sein ermög­licht eine kri­ti­sche­re Betrach­tung von Inhal­ten und för­dert die Erken­nung und Ver­mei­dung von Stereotypen.
  3. Par­ti­zi­pa­ti­on aller Geschlech­ter: Die­ser Ansatz betont die Wich­tig­keit, dass Frau­en aktiv am Ent­wick­lungs­pro­zess von KI-Sys­te­men betei­ligt sind. Eine aus­ge­wo­ge­ne Ver­tre­tung in der For­schung und Ent­wick­lung gewähr­leis­tet, dass ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven und Erfah­run­gen in die Gestal­tung von KI einfließen.

Ein­fluss von Ste­reo­ty­pen in der Gesell­schaft des 21. Jahr­hun­derts: Die Gesell­schaft des 21. Jahr­hun­derts ist nach wie vor von geschlechts­spe­zi­fi­schen Ste­reo­ty­pen beein­flusst, wenn auch in unter­schied­li­chem Maße je nach Regi­on, Kul­tur und sozia­lem Kon­text. Trotz Fort­schrit­ten in Bezug auf Gleich­stel­lung und Auf­klä­rung sind ste­reo­ty­pe Vor­stel­lun­gen von Geschlech­ter­rol­len in Medi­en, Wer­bung und ande­ren gesell­schaft­li­chen Berei­chen noch vorhanden.

Die Ver­brei­tung von Ste­reo­ty­pen kann in der digi­ta­len Ära ver­stärkt wer­den, ins­be­son­de­re durch Algo­rith­men in sozia­len Medi­en, Such­ma­schi­nen und ande­ren Platt­for­men, die per­so­na­li­sier­te Inhal­te bereit­stel­len. Die­se kön­nen dazu nei­gen, bestehen­de Ste­reo­ty­pen zu ver­stär­ken, wenn sie auf his­to­risch vor­ein­ge­nom­me­nen Daten trai­niert sind.

Es bleibt eine anhal­ten­de Her­aus­for­de­rung, die Wir­kung von Ste­reo­ty­pen zu mini­mie­ren und eine geschlech­ter­ge­rech­te Gesell­schaft zu för­dern. Die genann­ten Ansät­ze zie­len dar­auf ab, posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen zu bewir­ken, indem sie auf die Grund­la­gen (Daten­sät­ze), das Bewusst­sein und die inklu­si­ve Betei­li­gung abzielen.

NG

Du wür­dest daher sagen, dass die Gesell­schaft aktu­ell nicht geschlech­ter­ge­recht ist? 

ChatGPT

Ja, trotz Fort­schrit­ten in vie­len Berei­chen ist es immer noch mög­lich, fest­zu­stel­len, dass die Gesell­schaft in vie­len Tei­len der Welt nicht voll­stän­dig geschlech­ter­ge­recht ist. Es gibt wei­ter­hin geschlechts­spe­zi­fi­sche Ungleich­hei­ten in ver­schie­de­nen Berei­chen, dar­un­ter Arbeits­markt, Bil­dung, Zugang zu Res­sour­cen, poli­ti­sche Ver­tre­tung und gesell­schaft­li­che Wahrnehmung.

Geschlech­ter­ste­reo­ty­pe und geschlechts­spe­zi­fi­sche Rol­len­er­war­tun­gen sind wei­ter­hin prä­sent und kön­nen sich nega­tiv auf die Chan­cen­gleich­heit und den Zugang zu Mög­lich­kei­ten aus­wir­ken. Frau­en sind oft von bestimm­ten Beru­fen oder Füh­rungs­po­si­tio­nen aus­ge­schlos­sen, und es gibt wei­ter­hin Lohn­un­ter­schie­de zwi­schen den Geschlechtern.

Die Bemü­hun­gen um Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit sind jedoch welt­weit im Gan­ge, und es gibt zahl­rei­che Initia­ti­ven, Geset­ze und sozia­le Bewe­gun­gen, die dar­auf abzie­len, die­se Ungleich­hei­ten abzu­bau­en. Es bleibt jedoch eine kom­ple­xe und fort­lau­fen­de Her­aus­for­de­rung, eine umfas­sen­de Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit in allen Berei­chen der Gesell­schaft zu erreichen

Literatur- und Medienwissenschaftlerin Stephanie Catani (Universität Würzburg) im Gespräch zur Rolle von ChatGPT und KI allgemein im Kunstbereich

NG

Frau Cata­ni, in der vier­ten Staf­fel von True Detec­ti­ve weist Jodie Fos­ter als Chief Liz Dan­vers ihren jün­ge­ren Poli­zei­kol­le­gen mehr­mals im Lau­fe der Serie dar­auf hin, die „rich­ti­gen“ Fra­gen zu stel­len. Wie beur­tei­len Sie die von ChatGPT gene­rier­ten Fra­gen zu KI und den Küns­ten? Sind es die „rich­ti­gen“ Fra­gen, oder gibt es die­se gar nicht?

SC

Ich fin­de es tat­säch­lich schwie­rig zu sagen, was rich­ti­ge Fra­gen sind. Sinn­vol­le, oder dem The­ma ange­mes­se­ne Fra­gen – das wäre mög­lich, aber ich wür­de ver­su­chen, im Umgang mit Künst­li­cher Intel­li­genz das Wort „rich­tig“ zu ver­mei­den. Ich fin­de aber, dass die weni­gen Fra­gen, die ich hier sehe, durch­aus eine Berech­ti­gung haben. Das wun­dert mich nicht, weil es die Fra­gen sind, die gesell­schaft­lich gese­hen und auch mit Blick auf Kunst und KI die grö­ße­re Rol­le spie­len. Es ist ein sto­chas­ti­scher Pro­zess, d.h. die Wahr­schein­lich­keit, dass die­se Fra­gen auf­ge­wor­fen wer­den, leuch­tet mir durch­aus ein. Gleich­zei­tig wird bereits sicht­bar, wie poli­tisch kor­rekt die­se Model­le ange­legt sind. Dass es so schnell auf die Fra­ge der Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit zu spre­chen kommt, das liegt tat­säch­lich auch dar­an, dass man bei der Ver­si­on 3 schon sehr bemüht war, sol­che poli­tisch kor­rek­ten Aspek­te zu inklu­die­ren, statt auszuschließen.

NG

ChatGPT geht aller­dings von einem 2‑Ge­schlech­ter-Modell aus, oder?

SC

Ja, das neh­me ich an. Ich habe selbst ver­sucht, mit Dop­pel­punk­ten sowie Strich und Stern­chen zu arbei­ten, – doch das funk­tio­niert nicht son­der­lich gut. Ich glau­be auch, alle Fang­fra­gen, die man dem Pro­gramm stellt, um es zu einer Geschlech­te­run­ge­rech­tig­keit zu bekom­men, enden immer damit, dass in ein 2‑Geschlechtersystem unter­schie­den wird. Ich bin mir ziem­lich sicher, wür­de man kon­kret fra­gen: „Gibt es mehr als zwei Geschlech­ter?“, so wür­de wahr­schein­lich eine um poli­ti­sche Kor­rekt­heit und gleich­zei­tig auch um vage Aus­sa­gen bemüh­te Ant­wort kom­men. Man kann es dar­über hin­aus ziem­lich schnell bei Sexis­men ent­lar­ven. Abge­se­hen davon ist das Modell bei ein­fa­chen Fra­gen bemüht, bei­de Geschlech­ter glei­cher­ma­ßen sicht­bar zu machen.

NG

Als ich Ihnen mein Vor­ha­ben für das Inter­view geschil­dert habe, frag­ten Sie sofort, wel­che Ver­si­on von ChatGPT ich ver­wen­det hät­te. Was wären die Unter­schie­de gewesen?

SC

Die Ver­si­on inter­es­siert mich immer, weil sich der Daten­kor­pus voll­kom­men ver­än­dert hat – in einem gigan­ti­schen Aus­maß – und weil das Modell in der Fähig­keit zu for­mu­lie­ren, viel­leicht noch bes­ser, aber in der inhalt­li­chen Prä­zi­si­on schlech­ter gewor­den ist. Das heißt, die Text­men­ge, auf die das Modell zugreift, wird immer grö­ßer und immer weni­ger spe­zi­fisch. Jede Fra­ge, die ich zu einem spe­zi­fi­schen The­ma stel­le, wird dadurch weni­ger mit Tex­ten aus die­sem Bereich gefüt­tert als viel­mehr mit Tex­ten, die mög­lichst all­ge­mein gehal­ten sind. Des­halb ist es sehr schwie­rig, prä­zi­se Ant­wor­ten zu bekom­men. Ich fin­de, dass die Fra­gen über­ra­schend prä­zi­se sind und auch sehr schnell auf das The­ma zu spre­chen kom­men, um das es geht – KI und Kunst.

NG

Die Zukunfts­for­sche­rin Flo­rence Gaub sagt, „[d]ie Deut­schen lei­den an einem „Future Shock“, des­halb ver­wei­gern sie sich dem Neu­en.“ (ZEIT, N°7, 8.2.2024). Trifft das auch auf die Akzep­tanz und Rezep­ti­on von künst­li­cher Intel­li­genz in den Küns­ten zu? Wie erle­ben Sie als Lite­ra­tur- bzw. Medi­en­wis­sen­schaft­le­rin den Ein­zug von KI im Kunst­be­reich und wie reagie­ren Künstler*innen und Rezipient*innen darauf?

SC

Das ist eine recht gro­ße Fra­ge. Bei mir war das ein lan­ger Pro­zess. Ich habe vor sechs Jah­ren ange­fan­gen, mich mit dem The­ma aus­ein­an­der­zu­set­zen – eher durch Zufall. Damals gab es die ers­ten gro­ßen Sprach­mo­del­le [GPT‑1 wur­de 2018 ein­ge­führt, Anm. d. Red.]. Das „neue gro­ße Ding“ zu die­ser Zeit war ein Har­ry Pot­ter-Kapi­tel „The Hand­so­me One“ – gram­ma­ti­ka­lisch voll­kom­men falsch und mit absur­den Plot Twists – das von einem Modell erstellt wor­den war. Bot­nik Stu­di­os, eine Künst­ler­ver­ei­ni­gung aus New York, hat­te ein Modell mit den vor­han­de­nen Har­ry Pot­ter-Roma­nen gefüt­tert und es beauf­tragt, ein wei­te­res Kapi­tel zu schrei­ben. Immer, wenn ich heu­te Vor­trä­ge hal­te und auch Wis­sen ver­mit­teln will, zei­ge ich das und anschlie­ßend zei­ge ich, was ChatGPT4 ver­fasst, wenn ich sage, es gibt sie­ben Har­ry Pot­ter-Bücher, wie könn­te ein ach­tes aus­se­hen? Ich möch­te nicht sagen, dass ich das kau­fen wür­de, aber das ist schon ein guter und kohä­ren­ter Text, der an die ande­ren Bän­de anschließt.  Das heißt, in den letz­ten sechs Jah­ren ist sehr viel passiert.

Die Künstler*innen, die Kunst, die Lite­ra­tur, die mich inter­es­siert, gibt es aller­dings schon län­ger. Künstler*innen und Autor*innen wie die Programmierer*innen Nick Mont­fort, Han­nes Bajohr, Alli­son Par­rish oder Jörg Pirin­ger haben vor­her bereits mit Algo­rith­men gear­bei­tet und dann, als die ers­ten Sprach­mo­del­le erschie­nen sind, ange­fan­gen auch damit zu expe­ri­men­tie­ren. Die KI hat sicher­lich zu einer ande­ren Text- und Bild­pro­duk­ti­on geführt, aber in die­sem Bereich, der avant­gar­dis­ti­schen, ori­gi­nel­len Kunst und Lite­ra­tur, der mit Kunst auch über Kunst etwas sagt, war das eigent­lich ein schlei­chen­der Pro­zess, der gar nicht zu solch radi­ka­len Wel­len geführt hat, wie es ver­mut­lich in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung durch die Frei­schal­tung von ChatGPT den Anschein hatte.

Es gibt aller­dings auch vie­le Grün­de von einer Zäsur zu spre­chen. Der ers­te Grund wäre das Urhe­ber­recht. Dort fehlt es mas­siv an Bestim­mun­gen. Die zwei­te Zäsur ist eine ethi­sche und hat mit die­sem pro­prie­tä­ren Modell zu tun. Wir haben gro­ße Fir­men, die im Grun­de eine Mono­pol­stel­lung haben und wir wis­sen nicht, womit die­se Model­le gefüt­tert wur­den. Hin­zu kommt, und das wäre der drit­te gro­ße Punkt, über den gar nicht gere­det wird, dass vor allem ChatGPT3 und 4 bemüht sind, poli­tisch kor­rekt zu sein, eben­so die Bild-Gene­rie­rungs­pro­gram­me. Das war nicht immer so. Dafür zahlt aller­dings jemand einen Preis, und zwar nicht wir, son­dern meis­tens Click-Worker*innen im glo­ba­len Süden. Arbeiter*innen, die in der Regel ohne irgend­ei­ne Form von Super­vi­si­on, ohne arbeits­recht­lich ver­si­chert zu sein und zu abso­lut pre­kä­ren Bedin­gun­gen in Sekun­den­schnel­le tag­gen oder ent­schei­den müs­sen: ist das por­no­gra­phisch? Ist das sexis­tisch? Ist das ras­sis­tisch? Das heißt, die rei­nen Daten, die wir ver­meint­lich haben, sind zu einem hohen Preis gekauft. Die­se 3 Punk­te – Daten­in­trans­pa­renz, das Geschäft mit den Datenbereiniger*innen, ‑aufbereiter*innen, ‑tagger*innen usw., die urhe­ber­recht­li­che Fra­ge – das sind die eigent­li­chen Zäsu­ren und nicht die Fra­ge „ist das Kunst oder ist das KI-gemacht?“ Das ist oft eine Zuspit­zung, die durch die Rezipient*innen erst erfolgt.

NG

Das lenkt ver­mut­lich auch ein biss­chen von den eigent­li­chen Pro­ble­ma­ti­ken ab.

SC

Ich habe das Gefühl, dass die Medi­en in Bezug auf KI-Kunst ganz ande­re Tex­te oder Kunst in den Blick neh­men, als eigent­lich da ist oder im Hand­buch KI und die Küns­te ver­han­delt wird. Das sind avant­gar­dis­ti­sche Tex­te, Text­ex­pe­ri­men­te von Leu­ten, die in der Infor­ma­tik, in der Lite­ra­tur arbei­ten. Aber die Tex­te, die in die Medi­en kom­men, wie bei­spiels­wei­se Mein Algo­rith­mus und ich von Dani­el Kehl­mann, der 2020 ins Sili­con Val­ley reist, um sich mit einem voll­kom­men ver­al­te­ten Sprach­mo­dell – das er deut­lich ein­fa­cher, bil­li­ger und genau­er auch hier in Deutsch­land hät­te haben kön­nen – in einen Schreib­wett­kampf zu bege­ben. Das hat die Pres­se zumin­dest dar­aus gemacht. Eigent­lich war das Ver­suchs­de­sign: „wir schrei­ben zusam­men einen Text“. Die Reak­ti­on dar­auf war aller­dings Erleich­te­rung, dass Kehl­mann ganz offen­sicht­lich der bes­se­re Autor ist als die­ses Pro­gramm. Das, fin­de ich, hat­te etwas unglaub­lich Deut­sches. Ich habe das Gefühl, dass die­ses Genie­mo­dell und die­ses star­ke mensch­li­che – oder auch männ­li­che – Genie, das immer noch trans­por­tiert wird, von tra­dier­ten Vor­stel­lun­gen einer Genie­äs­the­tik und eines sin­gu­lä­ren und auf sei­ne eige­nen Kräf­te kon­zen­trier­ten Autor­ge­nies bezo­gen ist, das so ohne­hin nicht mehr mit der Gegen­wart, mit der Gegen­warts­li­te­ra­tur, über­ein­stimmt. Und ich habe das Gefühl, dass die­se Dis­kus­si­on vor allen Din­gen in Deutsch­land eine kon­ser­va­ti­ve­re ist, als das woan­ders der Fall ist. Mei­ne Begrün­dung dafür ist viel­leicht auch, dass das Fach Krea­ti­ves Schreiben/Creative Wri­ting bei­spiels­wei­se in ang­lo-ame­ri­ka­ni­schen Län­dern viel stär­ker in die aka­de­mi­sche For­schung und Leh­re ein­ge­bun­den ist. Nick Mont­fort, Alli­son Par­rish, Mark Mari­no, das sind alles Leu­te, die KI gene­rier­te Tex­te her­aus­brin­gen oder mit KI gene­rier­ten Tex­ten arbei­ten, damit spie­len, als Autor*innen sol­cher Tex­te auf­tre­ten und gleich­zei­tig Professor*innen am MIT oder an ande­ren wich­ti­gen Design-Labs sind. Das hat ein ganz ande­res Stan­ding. Eben­so das Spiel mit Spra­che, das Unter­su­chen, mit wel­chen Mög­lich­kei­ten kön­nen wir Text, kön­nen wir Lite­ra­tur anders gestal­ten? Das hat im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Bereich eine ande­re Heimat.

NG

In der Ein­lei­tung zum Hand­buch KI und die Küns­te schrei­ben Sie: „Kunst, gemein­hin als pri­vi­le­gier­ter Aus­druck mensch­li­cher Krea­ti­vi­tät und Ori­gi­na­li­tät ver­stan­den, fun­giert als Distink­ti­ons­merk­mal des Men­schen, das ihn vom Tier und von der Maschi­ne glei­cher­ma­ßen unter­schei­det.“ Damit fas­sen Sie die gegen­wär­ti­ge wis­sen­schaft­li­che sowie öffent­li­che Debat­te exem­pla­risch zusam­men. Wie ste­hen Sie selbst dazu? Soll­te zukünf­tig zwi­schen mensch­li­cher und künst­li­cher Krea­ti­vi­tät unter­schie­den wer­den? Oder wird es, wie ChatGPT vor­schlägt, zu einer krea­ti­ven Partner*innenschaft zwi­schen mensch­li­chen Künstler*innen und künst­li­cher Intel­li­genz kommen? 

SC

Die­ser Satz spielt auf die öffent­li­chen und media­len Debat­ten an, die ich gewis­ser­ma­ßen ver­su­che, in mei­nem Buch und mit mei­nem Hand­buch ein wenig auf den Boden der Tat­sa­chen zurück­zu­ho­len. Nein, ich glau­be nicht, dass Kunst das Distink­ti­ons­merk­mal ist. Ich wür­de die Gren­ze zwi­schen Mensch und Maschi­ne nicht dort zie­hen, wo mit Sprach­mo­del­len Kunst ent­steht. Das ist für mich immer noch ein Mensch, der mit neu­en Tech­no­lo­gien Kunst ent­ste­hen lässt. Auf den Krea­ti­vi­täts­be­griff kön­nen wir hier nicht ein­ge­hen. Das ist so ein gro­ßer Begriff – ähn­lich wie Lie­be, Glück und ande­re Begrif­fe –, ein Stell­ver­tre­ter­be­griff, der von ver­schie­de­nen Sei­ten ganz unter­schied­lich auf­ge­la­den ist. Von Sei­ten der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft oder den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten wird er sehr emo­tio­nal und auch sehr dif­fus besetzt, aber auch immer im Sin­ne einer ver­bor­ge­nen, nicht ganz erklär­ba­ren Eigen­schaft, die eben nicht nur – das hat Andre­as Reck­witz, der über Krea­ti­vi­tät viel geschrie­ben hat, mal gesagt – im Her­vor­brin­gen von etwas Neu­em besteht, son­dern auch immer emo­tio­nal auf­ge­la­den ist. Mir ist nicht wohl dabei, auf­grund eines Sprach­mo­dells zwi­schen künst­li­cher und mensch­li­cher Krea­ti­vi­tät zu unter­schei­den. Krea­tiv, künst­le­risch wert­voll oder über­haupt lite­ra­risch wird für mich ein von einem Sprach­mo­dell gene­rier­ter Text meis­tens dadurch, weil er in ein Kon­zept ein­ge­bun­den ist, das von einem Men­schen erdacht wur­de. Auch wenn das Kon­zept nur ein guter Prompt ist, ist es den­noch eine ziem­lich star­ke Text­ein­ga­be. Natür­lich bin ich mir sehr sicher – das zeigt die Ent­wick­lung –, dass es irgend­wann Tex­te geben wird, die aus dem Sprach­mo­dell kom­men, die lite­ra­risch anmu­ten, die man auch nicht sofort einem Spra­chen­mo­dell zuord­nen wür­de. Aber das Sprach­mo­dell ist für mich nicht die Ver­kör­pe­rung eines Nicht-Men­schen. Es ist das Pro­dukt einer mensch­lich vor­an­ge­trie­be­nen Tech­no­lo­gie, die sich aller­dings nicht ver­selb­stän­digt. Zumin­dest im Moment sehe ich das nicht. Daher will ich hier die­se Tren­nung von vorn­her­ein ver­su­chen aufzuweichen.

NG

Und der Vor­schlag von ChatGPT bezüg­lich einer krea­ti­ven Partner*innenschaft?

SC

Han­nes Bajohr hat vor ein paar Mona­ten sei­nen Roman Ber­lin, Miami ver­öf­fent­licht, und dabei mit einem frei­en, Open-Source GPT-Modell gear­bei­tet. Dort gibt es ein wun­der­ba­res Nach­wort, in dem er auch kurz die Poe­to­lo­gie die­ser Art von Schrei­ben for­mu­liert. Er weist zurecht dar­auf hin, dass Autor*innenschaft nie eine ein­sa­me Arbeit war, schon gar nicht in der Gegen­wart. Wenn man streng ist, haben eini­ge einen Anteil an der Zusam­men­ar­beit mit einem Sprach­mo­dell: die Leu­te, die die­ses Sprach­mo­dell trai­niert haben, alle Autorin­nen und Autoren der Tex­te, mit denen das Modell vor­trai­niert oder nach­trai­niert wur­de. Bei Han­nes Bajohr waren es Gegen­warts­ro­ma­ne, deren Autor*innen müss­te man auch noch unmit­tel­bar hin­zu­fü­gen. Die Clickworker*innen, die eben­falls Ent­schei­dun­gen fäl­len und für den Out­put ver­ant­wort­lich sind, wür­den zu die­ser Partner*innenschafft dazu­ge­hö­ren. Lektor*innen, bes­te Freund*innen, die viel­leicht beim Abend­essen mein­ten „Ver­such es doch mal mit die­sem Prompt“, oder Kolleg*innen, mit denen man gemein­sam in Sti­pen­di­en, Künstler*innenhäusern usw. dar­an gear­bei­tet hat, zäh­len genau­so dazu. Das heißt, die Vor­stel­lung des ein­sa­men Schreib­ge­nies ist ohne­hin eine über­hol­te. Gera­de im Moment gibt es zahl­rei­che Pro­jek­te zu Ver­ge­mein­schaf­tung von Schrei­ben. Die Schreib­sze­ne, auch der Begriff der Schreib­sze­ne, hat sich so ver­än­dert, dass man jetzt von Koope­ra­tio­nen, von Kol­la­bo­ra­tio­nen zwi­schen Autorin­nen und Autoren aus­geht. Zwi­schen Men­schen und KI ist es im Grun­de eine erwei­ter­te Form der Kol­la­bo­ra­ti­on ver­schie­de­ner Akteu­re und Akteu­rin­nen, die letzt­end­lich aber immer auch auf Men­schen zurück­geht. Es ist aller­dings schwie­rig, die­se zu zäh­len, weil es bei Sprach­mo­del­len zu vie­le sind. Das Sprach­mo­dell funk­tio­niert wie ein Brenn­glas. Die Schreib­sze­ne, das Schrei­ben der Gegen­wart, hat sich ver­än­dert und die Zusam­men­ar­beit mit die­sen Sprach­mo­del­len zeigt das noch­mal ganz deutlich.

ChatGPT weist an meh­re­ren Stel­len dar­auf hin, dass ethi­sche Prin­zi­pi­en beim Ein­satz von KI in den Küns­ten ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Künstler*innen, Forscher*innen sowie die Gesell­schaft tra­gen laut ChatGPT hier­für gemein­sam die Ver­ant­wor­tung. Der Gesell­schaft wird gar eine „Schlüs­sel­rol­le“ zuge­spro­chen. Wür­den Sie dem zustimmen? 

SC

Das ist über­aus schwie­rig. Es müs­sen Regeln her, das ist für mich unbe­strit­ten. Viel­leicht haben wir in Zukunft so etwas wie VG Wort-Abga­ben. In dem Moment, in dem man sei­nen Text ins Digi­ta­le gibt, bekommt man eine Art Grund­satz­ab­ga­be. Aller­dings funk­tio­niert das schon in der Musik, bei­spiels­wei­se bei Spo­ti­fy, nur erbärm­lich. Das wür­de beim Schrei­ben ver­mut­lich nicht bes­ser sein.  Es ist idea­lis­ti­sche Träu­me­rei, dass wir weg von die­sen gro­ßen, pro­prie­tä­ren, geschlos­se­nen Model­len kom­men, die den Markt bestim­men. Jeder Vor­trag, den ich hal­te, zu Künst­li­cher Intel­li­genz, endet immer mit Gesprä­chen über ChatGPT, weil es natür­lich auch so wir­kungs­mäch­tig ist. Es gibt vie­le ande­re Model­le, mit denen man auch arbei­ten, mit denen man auch nach­be­ar­bei­ten kann. Aber das macht nie­mand. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler grei­fen zu ChatGPT, tes­ten, was das Modell kann, und trai­nie­ren es damit wei­ter, sodass noch mehr Daten zur Ver­fü­gung ste­hen. Das ist das größ­te Pro­blem, dass wir so eine star­ke Mono­pol­bil­dung im Bereich der gro­ßen Tech-Fir­men haben. Wir brau­chen unbe­dingt Richt­li­ni­en. Wir brau­chen Trans­pa­renz. Wir brau­chen eigent­lich eine Auf­for­de­rung, die Daten trans­pa­ren­ter zu machen.

NG

Jack Anton­off, der aktu­ell als erfolg­reichs­ter Musik­pro­du­zent gilt, hat auf die Fra­ge, ob er dem Ein­zug der KI in die Musik ängst­lich gegen­über­steht, geant­wor­tet, er sei nicht wirk­lich besorgt. Viel­mehr mache er sich Gedan­ken über die Tech-Leu­te. „Es ist absurd, dass die Techi­es heu­te die Archi­tek­ten von allem sind. […] [W]ir ver­lan­gen von den Tech-Leu­ten, dass sie die Zukunft der Kunst, des Ver­kehrs und der Stadt­pla­nung ent­wer­fen. Die­se Leu­te tun mir mit­un­ter leid, weil ihre eige­ne Büch­se der Pan­do­ra sie dazu gezwun­gen hat, buch­stäb­lich alles zu ent­wer­fen.“ (ZEIT MAGAZIN, N°7, 8.2.24) Kann die Ent­wick­lung der Künst­li­chen Intel­li­genz – in all ihren For­men – mit der Büch­se der Pan­do­ra ver­gli­chen wer­den, wel­che bekannt­lich für Unheil und Scha­den steht?

SC

Ich fin­de das Zitat ganz inter­es­sant, dass die Techi­es heu­te die Architekt*innen von allem sind. Tat­säch­lich ist es schon ver­rückt, — das ist das Pro­blem. Es täte uns allen gut, wach­sam zu blei­ben. Der Künst­li­chen Intel­li­genz und dem Code kommt an so vie­len Stel­len eine Gate­kee­per-Funk­ti­on zu, aber die Men­schen, die an die­sen Stel­len sit­zen, sind sich auf­grund ihrer Job­be­schrei­bung gar nicht bewusst, dass sie an Gate­kee­per-Funk­tio­nen sit­zen, son­dern wol­len ein­fach ihren Job machen, die­sen Code zum Lau­fen brin­gen oder bestimm­te Daten gene­rie­ren. Das ist natür­lich eine Scheu­klap­pen-Tätig­keit und der Blick aufs gro­ße Gan­ze kommt dann viel­leicht zu spät. Ich wür­de die Aus­sa­ge Anton­offs umdre­hen und mir nicht so vie­le Gedan­ken über die Tech-Leu­te machen, son­dern statt­des­sen mit Vehe­menz dafür ein­tre­ten, dass alle, vor allen Din­gen Literaturwissenschaftler*innen und Geisteswissenschaftler*innen, mit einer gehö­ri­gen Por­ti­on IT-Wis­sen und Pro­gram­mier­wis­sen aus­ge­stat­tet wer­den. Ich ver­ste­he zum Bei­spiel nicht, war­um nicht bereits in der Schu­le, statt Infor­ma­tik im Sin­ne von „Wir pro­gram­mie­ren“, über Daten­ethik gespro­chen wird. War­um haben wir im lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­um immer noch Angst, dass die Leu­te ihre Haus­ar­bei­ten mit ChatGPT anfer­ti­gen, statt früh mit Stu­die­ren­den über die Kul­tur­tech­ni­ken von Schrei­ben und Lesen im Zei­chen von Künst­li­cher Intel­li­genz zu spre­chen. Ich glau­be, die­se Sen­si­bi­li­sie­rung und die Wach­sam­keit und das Auf­for­dern, über die eige­ne Gren­ze hin zu den Tech-Nerds hin­weg­zu­kom­men, ist ganz wich­tig. Inso­fern freue ich mich über jede Per­son, die hier in Würz­burg Digi­tal Huma­ni­ties, oder Infor­ma­tik und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten stu­diert, weil ich glau­be, dass das eine gute Mischung ist und bei­den Sei­ten extrem gut­tut. Es ist eben kei­ne Hilfs­wis­sen­schaft, son­dern es sind wirk­li­che Schlüs­sel­po­si­tio­nen, auf denen Men­schen sit­zen, denen durch ihre bestimm­ten Fähig­kei­ten und Kom­pe­ten­zen, eine Ent­schei­dungs­macht zukommt. Es ist natür­lich bit­ter, wenn man die­se Ent­schei­dungs­macht immer nur kom­men­tiert oder im Zwei­fel auch gar nicht wahr­nimmt. Dazu gehört, dass man die­se Gren­ze zwi­schen den Natur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten ein biss­chen auf­weicht. Daher tun mir die Techs über­haupt nicht leid – im Gegen­teil –, ich benei­de sie um ihre Fähig­kei­ten. Mir tut aller­dings leid, dass so vie­le, immer nur das Front­end sehen, also nur die Spiel­wie­se, und das wird sich in den nächs­ten Jah­ren ver­schlim­mern. Wir wer­den in kür­zes­ter Zeit wahr­schein­lich in Word nur noch einen Knopf haben, auf dem steht „Mach den Text schö­ner“, ein Knopf, der mit einem Sprach­mo­dell ver­knüpft ist. Lizen­siert hat Micro­soft schon gewis­se Model­le. Das wird nicht mehr lan­ge dau­ern. Alles wird immer spie­le­ri­scher im Com­pu­ter­be­reich, sodass nie­mand mehr hin­ter die Ober­flä­che auf den Code bli­cken muss. Ich wür­de mir wün­schen, dass in die­ser Hin­sicht mehr Ver­pflich­tung bestün­de. Das wür­de mei­nes Erach­tens bereits helfen.

NG

ChatGPT argu­men­tiert, dass der Ein­satz von künst­li­cher Intel­li­genz sich posi­tiv auf die Gesell­schaft aus­wir­ken könn­te. Mar­gi­na­li­sier­te Grup­pen, die bis­her benach­tei­ligt oder über­se­hen wur­den, könn­ten eine Platt­form erhal­ten und auf die­se Wei­se stär­ker im Kunst­be­reich prä­sent sein. Gleich­zei­tig könn­te die Gesell­schaft für ste­reo­ty­pe Geschlech­ter-Dar­stel­lun­gen sen­si­bi­li­siert wer­den. Hier­für braucht es u.a. Diver­si­tät in den Daten­sät­zen sowie unter den Tech-Leu­ten und Forscher*innen, wel­che an den KI-Sys­te­men arbei­ten. Feh­le an die­sen Stel­len Diver­si­tät, könn­te durch die KI eine unge­rech­te Geschlecht­er­ord­nung sowie ste­reo­ty­pe Dar­stel­lun­gen noch ver­stärkt wer­den. Wie ste­hen aktu­ell die Chan­cen, dass es durch KI zu einer geschlech­ter­ge­rech­te­ren Gesell­schaft kommt?

SC

Das fin­de ich schwie­rig. Im Moment neh­me ich wahr, dass die Sprach­mo­del­le bei allen Ver­su­chen sie „rein“ zu hal­ten, am Ende doch die Vor­ur­tei­le und Ste­reo­ty­pen trans­por­tie­ren, die unse­re Gesell­schaft aus­ma­chen. Der Kanon und der Bias, die in unse­rer Gesell­schaft auch nicht weg­ge­re­det oder durch Debat­ten­kul­tur ver­schlei­ert wer­den kön­nen, sind ein­fach da. Alle Zah­len zei­gen das – Zah­len von Lehr­stuhl­in­ha­be­rin­nen, von Habi­li­tan­tin­nen, von gro­ßen Tech-Unter­neh­men. Wich­ti­ge Schlüs­sel­po­si­tio­nen sind männ­lich besetzt, eben­so der Kanon unse­rer Kul­tur, auf den wir uns beru­fen, sowie der Kanon, der in der Leh­re abge­prüft wird. Natür­lich repro­du­zie­ren das auch Sprach­mo­del­le. Das ist ein Pro­blem, aber noch pro­ble­ma­ti­scher ist, wenn wir das weder bemer­ken noch sehen. Das soll­te eigent­lich eine Auf­for­de­rung an uns sein, die­sen Kanon auch intern zu ändern. Es gibt gute Grün­de, dar­an zu zwei­feln, dass durch die­se Pro­gram­me eine Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit ent­steht. Die krea­tivs­te und kri­tischs­te Zusam­men­ar­beit mit KI-Model­len im Bereich der Kunst kommt sicher­lich von mar­gi­na­li­sier­ten Grup­pen. Es gibt tol­le Autor*innen, die bewusst mit Algo­rith­men, mit Codes, mit Model­len, zusam­men­ar­bei­ten, um in ihren Instal­la­tio­nen zu zei­gen, wie die­se Algo­rith­men funk­tio­nie­ren, wie vor­ur­teils­be­haf­tet sie sind und gleich­zei­tig aber den Code auch benut­zen.  Ich habe das Gefühl, dass KI-Kunst, um jetzt mal den Begriff zu ver­wen­den, oft auch gera­de in dem Bereich, wo es um Mar­gi­na­li­sie­rung und Bias geht, zu einem sehr kri­ti­schen Instru­ment wird. Das betrifft vor allen Din­gen vie­le Schwar­zeAuto*rinnen und Künstler*innen in den USA, wo der Bias noch viel stär­ker ist, weil er gesell­schaft­lich tat­säch­lich jeden Tag abge­fragt wird. Es gibt eine gan­ze Rei­he an Künstler*innen, die das adres­sie­ren und sich zu eigen machen, übri­gens auch Künst­le­rin­nen, die sich über eine Geschlech­ter­bi­na­ri­tät hin­weg­set­zen. Die Künst­le­rin Alli­son Par­rish zum Bei­spiel sagt, dass die Spra­che des Codes und die gene­rier­te Spra­che, die nicht mehr nach her­kömm­li­chen Regeln funk­tio­niert und die bewuss­te Sinn­ent­stel­lung sowie Inko­hä­ren­zen ent­hält, für sie als tran­si­den­te Künst­le­rin auch ein Aus­druck dafür ist, dass sie in der nor­ma­ti­ven Sprach­um­ge­bung nicht zu Hau­se ist, dass Spra­che nicht für jede*n eine Hei­mat dar­stellt. Das ist das Span­nen­de, dass die­sen gene­ra­ti­ven Expe­ri­men­ten von Beginn an die­ses kri­ti­sche Moment zu eigen sein kann.

NG

Wel­che Fol­gen haben die rasan­ten Ent­wick­lun­gen und der ste­ti­ge Fort­schritt der künst­li­chen Intel­li­genz für die Umwelt? Ist die stei­gen­de Ver­wen­dung von KI-Sys­te­men noch trag­bar in Zei­ten der Klimakrise?

SC

Der CO₂ Aus­stoß ist mas­siv bei die­sen Model­len, das muss man ganz klar sagen. Die Sache ist eigent­lich nicht trag­bar. Es ist genau­so wenig trag­bar wie die Tat­sa­che, dass die meis­ten Men­schen ein zwei­tes Auto besit­zen. Es ist auch nicht trag­bar, dass Leu­te zu viert in einem Haus von 250 m² leben, das ist alles nicht trag­bar. Es gehört zu all die­sen nicht trag­ba­ren Din­gen, an denen wir nichts ver­än­dern, weil sie das Leben so viel schnel­ler, beque­mer und auch leis­tungs­ori­en­tier­ter machen. Also theo­re­tisch gese­hen ist es nicht unbe­dingt för­der­lich. Doch, das wäre mei­ne Pro­gno­se, wird auf gar kei­nen Fall in irgend­ei­ner Form etwas an die­sem Sys­tem geän­dert, weil es bedroh­lich für das Kli­ma ist.

NG

Könn­te man es zumin­dest ein biss­chen ver­bes­sern, indem man auf klei­ne­re Pro­gram­me umsteigt.

SC

Wenn man selbst arbei­tet, kann man natür­lich klei­ne­re Pro­gram­me neh­men. Die meis­ten Informatiker*innen machen das auch, aber die sind eben dazu fähig. Auf Sei­ten wie Hug­ging Face oder Git­Hub kann jede*r eigent­lich recht schnell auf Model­le zugrei­fen, die klei­ner und spe­zi­fi­scher sind, aller­dings gibt es dort kei­ne schö­ne Ein­ga­be­mas­ke, in die ich einen lus­ti­gen Prompt schi­cke und in der Zeit, in der ich das mache, wird auch noch ein lus­ti­ges Bild­chen gene­riert. Wie alle ande­ren Din­ge, die mit Nach­hal­tig­keit zu tun haben, gehen die­se mit einer wei­te­ren leich­ten Unbe­quem­lich­keit ein­her. Das wäre das, was jede*r von uns selbst machen könn­te. Und dann sind wir natür­lich wie­der im Bereich der gro­ßen Tech-Fir­men. Dort ist der Leis­tungs­druck sowie der Wett­be­werb gigan­tisch. Das alles stimmt mich nicht gera­de posi­tiv, dass so etwas wie die voll­kom­men berech­tig­te und eigent­lich mit einem gro­ßen roten Prio­ri­tä­ten­schild über­schrie­be­ne Kli­ma­kri­se in dem Bereich zu irgend­ei­ner ande­ren Ent­schei­dung füh­ren wird.

NG

Sehen Sie per­sön­lich durch die KI mehr Chan­cen oder Risi­ken für die künst­le­ri­schen Bereiche? 

SC

Chan­cen sind auf jeden Fall da. Man muss nur offen­blei­ben und sich die Kunst auch ein­fach mal anschau­en. Ich glau­be, es gibt gro­ße Chan­cen, weil es ja auch eine Spiel­wie­se ist, um mit Spra­che zu expe­ri­men­tie­ren. Gera­de das sieht man bei Han­nes Bajohr. Wenn man nicht auf die gro­ßen Model­le zurück­greift, ist der Text deut­lich weni­ger kohä­rent und deut­lich weni­ger glatt. Die Tex­te, die ChatGPT aus­spuckt, sind extrem glatt. Das ist das Schö­ne, dass Kunst eigent­lich etwas nicht Vor­her­seh­ba­res, jen­seits aller Wis­sen­schaft­lich­keit ist. Daher leuch­tet es durch­aus ein, dass nicht die bes­ten Tex­te dar­aus gene­riert wer­den. Es sind avant­gar­dis­ti­sche Expe­ri­men­te, die weit­ge­hend unbe­ob­ach­tet blei­ben, aber zei­gen, wel­ches Poten­zi­al auch in sol­chen Arbei­ten mit Sprach­mo­del­len steckt. Ich wür­de sagen, als Tool ste­cken da unglaub­li­che Chan­ce drin, wenn man damit ver­ant­wor­tungs­voll umgeht. Es ste­cken aber auch wahn­sin­nig vie­le Risi­ken dar­in und die betref­fen Autor*innen, die nicht bezahlt wer­den, Übersetzer*innen, tech­ni­sche Übersetzer*innen, die wahr­schein­lich mit­tel­fris­tig ihre Jobs ver­lie­ren, Stichwortgeber*innen, Journalist*innen. Die ein­zi­ge Pro­gno­se, die ich mir erlau­be, ist wirk­lich etwas pes­si­mis­tisch. Das Pro­blem, das wir haben, ist, dass jedes Modell, das kommt und es wer­den wei­te­re kom­men, immer grö­ßer wird. Es wird immer ein grö­ße­res geben. Ich glau­be nicht, dass der Moment kom­men wird, wo irgend­je­mand sagt, „so jetzt machen wir mal stopp“. Es wird grö­ßer wer­den und damit der Out­put immer unspe­zi­fi­scher. Nun ist es aber so, dass die gene­rier­ten Tex­te wie­der ein­ge­speist wer­den in die gro­ße Daten­men­ge, die wie­der­um Model­le trai­niert. Das heißt, wenn wir das ska­lie­ren und als gro­ße Wel­len­be­we­gung den­ken, kann man sagen, dass die Tex­te, die wie­der Ein­gang fin­den, in das Trai­nings­ma­te­ri­al: a) post-arti­fi­zi­ell sind, also nicht immer men­schen­ge­macht, son­dern gene­riert und b) auch nicht unbe­dingt bes­ser wer­den. Das Risi­ko müs­sen wir natür­lich sehen. Aktu­ell unter­schei­den wir immer zwi­schen dem Out­put des Sprach­mo­dells und dem mensch­lich gene­rier­ten Input. Aber die­se Unter­schei­dung wird so nicht halt­bar sein bei den Tex­ten, die mitt­ler­wei­le in die­se Model­le und die­se Trai­nings­da­ten rein und raus gehen. Wenn ich dar­aus eine Pro­gno­se zie­hen wür­de und mir die­se Bewe­gung vor Augen füh­re, wür­de ich sagen, dass sich die Ästhe­tik der Tex­te nicht unbe­dingt ver­bes­sern, son­dern eher ver­schlech­tern wird.

Hand­buch Künst­li­che Intel­li­genz und die Küns­te, hrsg. von Prof. Dr. Ste­pha­nie Cata­ni, De Gruy­ter 2023, 475 Seiten.

 

Prof. Dr. Ste­pha­nie Cata­ni ist eine Lite­ra­tur- und Medi­en­wis­sen­schaft­le­rin mit Schwer­punkt auf zeit­ge­nös­si­scher Lite­ra­tur, Kul­tur und Medi­en. Seit 2021 lehrt und forscht sie an der Juli­us-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Würz­burg, wo sie den Lehr­stuhl für Neue­re deut­sche Lite­ra­tur­ge­schich­te inne­hat. Ihre For­schung zeich­net sich durch kul­tur­wis­sen­schaft­li­che, inter­me­dia­le sowie inter­dis­zi­pli­nä­re Ansät­ze aus.

Nach ihrer Pro­mo­ti­on im Jahr 2005 an der Uni­ver­si­tät Würz­burg mit der Dis­ser­ta­ti­on „Das fik­ti­ve Geschlecht. Weib­lich­keit in anthro­po­lo­gi­schen Ent­wür­fen und lite­ra­ri­schen Tex­ten zwi­schen 1885 und 1925“ war sie unter ande­rem an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg tätig, wo sie 2014 ihre Habi­li­ta­ti­on abschloss. Wei­te­re Sta­tio­nen führ­ten sie an die Uni­ver­si­tät Augs­burg (Gast­pro­fes­sur) und die Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des (Lei­tung des Lehr­stuhls für Neue­re deut­sche Literaturwissenschaft).

Der­zeit forscht sie an einem DFG-Pro­jekt zum deutsch­spra­chi­gen Foto­ge­dicht in illus­trier­ten Zeit­schrif­ten zwi­schen 1895 und 1945 (2024–2027).

 

Nina Gret­sch­mann stu­diert seit 2021 im Mas­ter­stu­di­en­gang Neue­re Lite­ra­tu­ren an der Juli­us-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Würz­burg mit einem Schwer­punkt auf deut­scher Lite­ra­tur der Gegen­wart. Seit 2022 arbei­tet sie als wis­sen­schaft­li­che Hilfs­kraft am Lehr­stuhl für Neue­re deut­sche Lite­ra­tur­ge­schich­te II. Ihren Bache­lor­ab­schluss in Ver­glei­chen­der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft erwarb sie von 2018 bis 2021 an der Uni­ver­si­tät Augs­burg. Seit 2021 schreibt sie für Schauinsblau.