Ein Interview mit dem Musiker Wolfgang Barthel
von Jasmin Hammon
In Kontakt getreten ist SCHAU INS BLAU mit dem Musiker und Diplom-Psychologen Wolfgang Barthel und seiner Partnerin Petra Kalley nach ihrem Konzert im Café Neruda in Augsburg. Ein Ort, der sich ganz dem kulturellen Austausch mittels Musik, Literatur und bildender Kunst widmet und Künstler aus der ganzen Welt anzieht. Das Duo Barthel & Kalley ist eine der vielen Musikgruppen, die sich über das wachsende Interesse des Publikums für außergewöhnliche Klänge freuen kann. Im Gespräch mit SCHAU INS BLAU verrät Wolfgang Barthel, welches transkulturelle Potenzial ihre überzeugende Kombination aus orientalischen und okzidentalischen Musiktraditionen birgt.
SCHAU INS BLAU: Auf Ihrer Internetseite beschreiben Sie Ihre Musik als eine Mischung aus Folk, Rock, indischer und orientalischer Musik. Woher kommt dieser vielfältige Einfluss? Durch Reisen, durch Kontakte zu internationalen Musikern?
WOLFGANG BARTHEL: Ich bin mit der Rock- und Folkmusik der 1960er und 70er Jahre aufgewachsen und davon geprägt. Besonders angesprochen haben mich damals schon indische Einflüsse z.B. bei den Beatles und Rolling Stones. Ich habe dann ein paar Jahre lang versucht die indische Sitar zu lernen. Als ich 1976 mit Freunden 3 Monate lang durch die Türkei gereist bin, hat mich dieses Land, seine Kultur, die Freundlichkeit und Echtheit seiner Bewohner und vor allem die türkische Volksmusik so fasziniert, dass ich seit dieser Zeit versuche, das orientalische Lebensgefühl, vor allem Gelassenheit, zu leben und orientalische Musik mit meinem westlichen musikalischen Background zu verbinden. Ich verstehe mich schon lange als Weltbürger, betrachte andere Kulturen als Bereicherung und als Möglichkeit gegenseitiger Befruchtung. Das sollte zumindest in meiner Musik zum Ausdruck kommen.
SCHAU INS BLAU: Sie sind musikalisch schon seit 1977 aktiv und haben sich künstlerisch stets weiterentwickelt. Was waren Ihre wichtigsten musikalischen und kulturellen Stationen auf diesem Weg?
WOLFGANG BARTHEL: Schon in den 80er Jahren hatten wir ein Trio Barthel, Böhm & Bauer, das entgegen aller Trends handgemachte Weltmusik mit rockigen, lateinamerikanischen, orientalischen, sogar klassischen Elementen machte. Danach haben wir 17 Jahre lang mit Wide Scope — auch wieder gegen alle musikalischen Moden — Hardrock, Psychedelic und orientalische Musik verschmolzen. Mit unserem Duo Barthel & Kalley bin ich dann wieder zu folkorientierter, orientalisch beeinflusster Musik zurückgekehrt.
SCHAU INS BLAU: Sie bezeichnen Ihren Musikstil als Oriental Folkbluesrock. Was zeichnet Ihre Musik genau aus? Wenn wir uns zum Beispiel Ihre Stücke „Seems to be spanish“, „The jogging Sultan“ und „Rocking Arabia“ anhören, welche Einflüsse sind hier konkret zu hören?
WOLFGANG BARTHEL: Wie der Begriff “Oriental Folkbluesrock” sagen soll: wir spielen Folkrock, zum großen Teil auf orientalischen Instrumenten, mal mit mehr, mal mit weniger starken orientalischen Einflüssen. Manchmal kommt auch nur ein simpler Blues heraus. Und wir sind immer wieder bemüht, zwecks Abwechslung, andere Stilelemente, z.B. Flamenco, Jazz oder Didgeridoomusik etc. einzubeziehen.“Seems to be spanish” (Gitarre, Dharbuka) verbindet Flamenco-Harmonien mit einem Maxoum-Rhythmus. Bei “Rockin‘Arabia” (Saz, Dharbuka, Gesang) werden rockige Harmonien und englischer Text ebenfalls mit einem Maxoum-Rhythmus unterlegt. “The jogging sultan” (Saz, Dharbuka) basiert auf einem Ajup-Rhythmus und ist eines unserer “orientalischsten” Stücke.
SCHAU INS BLAU: Sie spielen unter anderem die Saz. Nutzen Sie in diesen Stücken orientalische oder abendländische Skalen und Harmonien? Petra Kalley spielt die Dharbuka, Udu, Riqq, Cajon, Bass und singt englische Texte. Von welchen Kulturen lässt sie sich besonders inspirieren?
WOLFGANG BARTHEL: Sowohl als auch: Es hat ziemlich lange gedauert bis ich die türkische Saz, sowie orientalische und indische Skalen begriffen und mich “eingefühlt” habe. Besonders angesprochen haben mich die unwiderstehlich groovenden orientalischen Rhythmen. Das — in Kombination mit westlichen Tonarten und Harmonien — ist es, was Musik für mich reizvoll macht. Und ich habe das Glück, dass es Petra ähnlich geht und sie zu meinen Kompositionen einfühlsam und in kongenialer Weise beiträgt.
SCHAU INS BLAU: In Ihren Live-Videos sieht man hin und wieder Bauchtänzerinnen, die Ihre Konzerte tänzerisch untermalen. Würden Sie sagen, dass die orientalische Musik den größten Einfluss auf Ihre Musik hat?
WOLFGANG BARTHEL: Ich würde sagen, dass mich gute alte Rockmusik und traditionelle, orientalische Volksmusik in gleichem Maße beeinflussen. Da wir in unseren Konzerten circa 60% orientalisch beeinflusste Stücke spielen, bietet sich der Einbezug von Bauchtänzerinnen natürlich an.
SCHAU INS BLAU: Nun zum Thema Transkulturalität. Ein Begriff, den besonders Wolfgang Welsch in den 1990er Jahren prägte. Anders als bis dahin vorherrschende (Kugel-)Modelle der Multikulturalität, in welchen die Einzelkulturen wie Kugeln aneinanderstoßen, ohne in Kommunikation zu treten, ist die wechselseitige Befruchtung integraler Aspekt der Transkulturalität. Transkulturalität meint eine gegenseitige Teilhabe an den jeweiligen Kontaktkulturen. Ein Entstehen einer neuen Kultur aus diesem Kontakt heraus. Ist Ihre Musik von transkulturellen Prozessen geprägt und wenn ja, wie äußert sich das? Haben sich im Kontakt mit internationalen Musikern transkulturelle Situationen ergeben?
WOLFGANG BARTHEL: Ich denke, dass wir mit unserer Musik genau dieses Wesen von Transkulturalität verwirklichen. Wenn wir z.B. traditionellen Blues mit Saz und Dharbuka mit englischem Text spielen oder eine türkische Melodie mit der nigerianischen Tontrommel Udu unterlegen, entsteht tatsächlich etwas komplett Neues, etwas für mich Selbstverständliches, das aber vielen Menschen noch suspekt ist. Erstaunlicherweise sind sie dann aber meistens begeistert, wenn sie unsere Musik erst einmal gehört haben, unabhängig von Alter und kultureller Herkunft.
Umgekehrt gibt es mittlerweile auch viele türkische Bands die ihren musikalischen Ursprung mit westlichen Stilelementen verschmelzen, wobei ebenfalls aufregende neue Dinge entstehen. Darüber hinaus würde ich es durchaus begrüßen, wenn sich die Europäer der vielfältigen geschichtlichen, mathematischen, medizinischen und kulturellen Errungenschaften und Einflüsse des Orients bewusster wären, ohne die unsere jetzige abendländische Kultur gar nicht denkbar wäre. Insofern bin ich durch die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, die in die entgegengesetzte Richtung von Transkulturalität laufen, sehr frustriert.
SCHAU INS BLAU: 2016 erscheint Ihre neue CD. Wohin wird Sie die Reise diesmal führen? Und die Hörer?
WOLFGANG BARTHEL: Wir werden unserem Stil treu bleiben, besonders nachdem wir durch unsere letzte Reise nach Istanbul vor zwei Jahren musikalisch und weltanschaulich wieder total inspiriert wurden und etliche neue Instrumente mitgebracht haben.
Wolfgang Barthel ist bereits seit 1977 als Musiker weltweit unterwegs und gefragt. Immer den aktuellen Musiktrends handgemachte, ehrliche Musik entgegensetzend, hat er durch seine Reisen seinen ganz eigenen Stil gefunden. Dieser ist beeinflusst durch Folk und Rock, aber auch durch orientalische Musikstile und Traditionen. So entsteht eine musikalische Mischung, die auf weltweites Interesse stößt. Barthel war mit seinen Mitmusikern (Barthel, Böhm & Bauer, Wider Scope, Wolfgang Barthel & Friends, Basarab, Barthel & Kalley) im Vorprogramm großer Gruppen, wie Embryo, Leo Kottke, Mohamed Mounir, um nur einige wenige zu nennen, und hat bisher erfolgreich 15 LPs beziehungsweise CDs veröffentlicht.