Schwere Kost zu Pandemiezeiten?
Wenn ich davon erzähle, dass mir das Eintauchen in andere Welten in Form von Büchern, Comics, Filmen und Serien — kurz Literatur im Allgemeinen — in Zeiten einer weltweiten Pandemie mit Einschränkungen, Lockdowns und Abstandsregelungen hilft, die gute Laune und Lebenslust nicht zu verlieren, denken die meisten an humorvolle, lustige und aufheiternde Geschichten – und liegen doch so falsch. Als ich auf meiner stetig wachsenden Leseliste Persepolis entdeckte und mich fragte, wie ich diese preisgekrönte Graphic Novel bisher ignorieren konnte, habe ich kurzerhand zugegriffen – und mich sofort in Satrapis klarer, direkter und dadurch knallharter Erzählweise verloren. Ihr Meisterwerk erzählt in schmucklosen, einfachen und doch ausdrucksstarken Panels ihre Kindheit im Iran nach, zur Zeit der islamischen Revolution. Satrapis unverblümter Stil und die gnadenlose Offenbarung der Gefühlswelt einer Jugendlichen, die die politischen Umwälzungen am eigenen Leib spüren muss, ließen mich nicht nur mitfiebern, sondern mitfühlen. Marji, die Protagonistin, zeigt Widerstandskraft, Revolutionswillen und überdies den Mut, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu vertreten. Während Marji kontinuierlich bemüht ist, sich selbst zu finden, obwohl ihr eigenes Leben direkt bedroht ist, nimmt Satrapi die Leser*innen mit auf eine Reise durch Propaganda und Gerüchte, politische Verzerrung und Einflussnahme, mitten hinein in die Wirren eines Krieges, der für die Jugendliche ein Komplex aus Widersprüchen darstellt. Marji verkraftet Grausames, wie der Foltermord von Familie und Freunden, integriert die konstante Gefahr eines Bombenangriffs oder der eigenen Inhaftierung wie selbstverständlich in ihren Alltag und schafft es dennoch, ihre Jugendlichkeit und die damit verbundene Leichtigkeit nicht zu verlieren. Persepolis ist eine Geschichte, die Mut macht, die zum Nachdenken anregt und die daran erinnert, dass es auch in schwierigen Zeiten Positives gibt. Diese autobiografische Graphic Novel hat mich von Anfang an derart gefesselt, dass ich sie in einem Rutsch durchlesen musste. Das Abtauchen in eine andere Welt, ließ mich den eigenen Alltag gänzlich vergessen. Das wieder Auftauchen danach ist jedoch nicht mit der letzten Seite besiegelt. Persepolis begleitet die Leser*innen länger als der Zeitrahmen der Lektüre scheinbar vorgibt. Persepolis erweitert den Horizont und prägt das eigene Leben – etwas, das der Schwierigkeit des Alltags im Lockdown kraftvoll entgegentritt.