von Marion Lenke
In der Figur des Don Juan de la Mancha verbindet Robert Menasse zwei große Antihelden der spanischen Literatur: den leidenschaftlichen Liebhaber Don Juan und den ewigen Windmühlenkämpfer Don Quichotte. Das Ergebnis ist Nathan, ein angegrauter Chefredakteur des Ressorts “Leben”, der ein echter Verführer ist — aber eben ein Verführer von trauriger Gestalt. Denn Nathan hat, gefangen in der Mittelmäßigkeit des Alltags, die Lust an der Lust verloren.
Mit dem Eingeständnis, dass sein “Trieb, die Lust zu spüren, bereits stärker geworden ist als der Trieb, sie zu befriedigen” offenbart Nathan sein Dilemma; denn “man kann zwar die Lust verlieren, aber man kann sie nicht vergessen”. Aus diesem Grund folgt Nathan dem Glücksversprechen der sinnlichen Liebe, um ernüchtert erkennen zu müssen, dass “das Tier am Ende doch wieder als Mensch aus dem Bett steigt”. In seinem Wirken als Don Juan, dessen Lust-Verlangen ihm die dauerhafte Glückserfüllung verweigert, erweist sich Menasses Protagonist mehr als einmal als wahrer Don Quichotte, dessen Hoffnungen an der emanzipierten Frauenwelt zerbrechen.
Wortgewandt und mit großer Leichtigkeit karikiert Robert Menasse, mit der Figur des Nathan, den Typus des modernen Casanovas, der bei den Frauen vergeblich nach Erlösung sucht.
In einer Welt, in der “die Befriedigung der Tod der Begierde wäre”, begegnen wir Nathans Geliebten: Der leidenschaftlichen Christa, mit der er bisweilen an die Grenzen der Perversion stößt, und seiner Frau, mit der ihn nichts mehr verbindet und die er trotzdem auf seine Weise liebt. Zuflucht in seinem Konflikt mit der Leidenschaft findet Nathan scheinbar auch bei der Therapeutin Hanna, auf deren Couch er — nicht immer wahrheitsgetreu — seiner lustvollen Odyssee nachzuspüren beginnt. Und so nimmt die Figur Don Juan de la Mancha den Leser mit auf eine sinnliche Reise durch die Vergangenheit, auf der jedes Erlebnis den bitteren Beigeschmack der Niederlage in sich trägt und die bloße Imagination einer erotischen Begegnung sich als weitaus reizvoller als ihr tatsächlicher Genuss präsentiert. Geistreich, intelligent und nicht selten ironisch schildert Nathan seine sexuellen Erfahrungen, Hoffnungen und Fehlschläge in einem Zeitalter, in dem gerade die Befreiung zur Lust die freie Lust unmöglich macht.
Obwohl Robert Menasses gelegentliche Abschweifungen und die Thematik der männlichen Lebenskrise auf den ersten Blick an die Werke eines Philipp Roth, Martin Walser oder Günter Grass erinnern, entpuppt sich dieser Roman alsbald als lustiges Satyrspiel, das die altbekannte Thematik der midlife crisis in ungewohnt selbstironischer Manier angeht. Denn Don Juan de la Mancha ist nicht nur eine Satire auf das Älterwerden, sondern auch eine Tragikkomödie über Lust und Niederlage und zugleich das scharfe Portrait einer Generation, die noch den “ideologisch korrekten Beischlaf studiert hat”.