von Maria Silvana Nedelea Rusca
Spätestens seit der königlichen Hochzeit von Prince Charles und Lady Diana ist die mediale Omnipräsenz der britischen Royals ein augenscheinliches Phänomen. Dahingegen ist die kultische Verehrung bestimmter Mitglieder der Königsfamilie eine Erscheinung, der keine zeitlichen Grenzen gesetzt sind und die immer neue Nuancen und Facetten dekuvriert. Im Folgenden sollen diese punktuell konturiert werden.
1. Einleitung
„Why do you think this great nation of ours loves the Royal Family?“ „Gun law. If we didn’t have it, you’d be asking the opposite question.“ (Barnes 2000: 47)
Wir erleben seit frühen Zeiten ein Phänomen, das heutzutage als „Kult um Royals“ bezeichnet werden könnte. Zur Terminologie muss jedoch ad interim erwähnt werden, dass Kult im Folgenden als eine Verehrungsform aufgefasst wird, die sich je nach Epoche und Kultur auf eine besondere Art offenbart und über die Ausübung bestimmter, nach einem festen Schema ablaufender Handlungen, den Ritualen, konsolidiert (vgl. Peters 2008: 162). Dazu gehören Zeremonien wie die Krönung oder die Hochzeitsprozession, bei denen sowohl verbale als auch non-verbale Handlungen eine signifikante Rolle spielen (vgl. Figl 2003: 664f, vgl. Peters 2008: 162). Wie ist die Genese der mit dem Kult-Begriff verbundenen Verehrung zu erklären und wie manifestiert sich diese zu magisch-obsessiven Eigenschaften tendierende Erscheinung? Kann die Vorstellung eines Kultes um Royals für die Dauer aller Zeiten petrifiziert, als statisch und allgemeingültig verstanden werden, oder ist es eher angemessen, dieser kultischen Verehrung ein dynamisches Element zuzuweisen und demnach die Möglichkeit einer Entwicklung zu berücksichtigen? Diese sind die zentralen Fragen, die sich als Leitfaden des vorliegenden Artikels herauskristallisieren lassen. Dabei erfahren in einer diachronen Analyse die mit einem Palimpsest zu vergleichenden Elemente wie die imposanten, Distanz aufbauenden Gemälde der Königin Elizabeth I sowie die scheinbar Transparenz und Nähe schaffende Hochzeitsprozession ab dem 20. Jahrhundert besondere Berücksichtigung.
2. The Royal Family — Kult als überzeitliche Erscheinung
Welche Assoziationskette löst der Gedanke an das britische Königshaus heutzutage aus? Welche Mitglieder der Königsfamilie werden in diesem Zusammenhang als repräsentativ betrachtet? Einige werden an Königin Elizabeth II denken, andere werden sich Lady Dianas Bild vergegenwärtigen, und angesichts des markanten Ereignisses 2011, der „Royal Wedding“, wird bestimmt auch Catherine Mountbatten-Windsor (geb. Catherine Elizabeth „Kate“ Middleton) unter den am häufigsten genannten Namen sein. Ausgehend jedoch von John Lockes Beobachtung, dass der Mensch nicht ewig bei einem einzigen Gedanken verweilen kann (vgl. Locke 1812: 168) und in Anlehnung an Laurence Sternes Aphorismus „great wits jump“ (Sterne 2009: 112) kann in diesem Zusammenhang behauptet werden, dass der Gedanke an das britische Königshaus einer kaleidoskopartigen Perspektivierung ähnelt. Auf ontologischer Ebene handelt es sich nämlich bei dem Gesamtbild dessen, was das britische Königshaus für jedes einzelne Individuum ausmacht, um ein Konglomerat verschiedenster Elemente, die simultan wahrgenommen werden und zu einem unzertrennlichen Ensemble fusionieren. Repräsentative Funktion erhalten dabei neben zeitgenössischen Persönlichkeiten auch signifikante historische Ereignisse und die damit verbundenen großen Namen, so dass diesem Reflexionsvorgang die Auflösung der Zeitdimension inhärent ist.
Doch was trägt dazu bei, dass heutzutage Persönlichkeiten wie Königin Elizabeth II, Lady Di oder Kate Mountbatten-Windsor so großes Interesse erregen, Verehrung erfahren und sogar repräsentative Funktion erlangen, dass sie schließlich als Kulterscheinungen bezeichnet respektive zu Kultfiguren stilisiert werden? Und wie ist die magische, Faszination evozierende Aura der Königin Elizabeth I und damit die immer noch scheinbar ungebrochene royale Faszination in Bezug auf das 16. Jahrhundert zu erklären, die sich vor allem in der kontinuierlichen Rezeption des Elisabethanischen Zeitalters durch zeitgenössische Kultserien wie The Tudors und The Virgin Queen sowie im Blockbuster Elizabeth niederschlägt?
2.1 Gemälde als Palimpsest — Der Kult um Königin Elizabeth I
Eine geeignete Annäherung an das Phänomen Elizabeth I bieten zunächst die vielfach symbolisch aufgeladenen Gemälde (vgl. Suerbaum 1989: 116), deren Verfremdungscharakter von einer magisch-mystischen Aura begleitet wird. Alle Porträts transportieren die Rätselhaftigkeit und die Magie, indem sie immer wieder neue, sich aus dem historischen Kontext ergebende Elemente mit Basissymbolen wie den Perlen – Zeichen der Jungfräulichkeit (vgl. Suerbaum 1989: 118) – zu einem neuen Ganzen verschmelzen lassen. Dabei kommen sie einem Palimpsest nahe, „[…] eine[r] philologische[n] Metapher, die Parallelen zur geologischen Metapher der Schichtung aufweist.“ (Assmann 2007: 111) Sowohl das Armada Portrait (1588) als auch das Rainbow Portrait (1600) und das Coronation Portrait (1600) inszenieren eine Frau, die sich erfolgreich gegen den natürlichen Alterungsprozess durchsetzt und paradoxerweise immer jünger zu werden scheint (vgl. auch Suerbaum 1989: 199f). Die prachtvollen Kleider können mit einer visuellen Geschichte verglichen werden: Die filigranen Stickereien sowie die für den zeitgenössischen Betrachter als rätselhaft empfundenen Details sind nicht als sinnentleert und demnach als l’art pour l’art zu betrachten, sondern dienen aufgrund ihres komplexen Zeichencharakters als Interpretationsstimuli. Die Kleider stehen somit in ihrer Dynamik dem einer Ikone ähnelnden Gesicht gegenüber, wodurch der Verfremdungseffekt der Gemälde verstärkt wird. An dieser Stelle wird bereits ersichtlich, dass sich das elisabethanische Zeitalter durch die Freude am Ludismus, die Verbindung von Oppositionen sowie die Faszination für Ambiguität und Ambivalenz kennzeichnet (vgl. auch Suerbaum 1989: 534) – Schlüsselfaktoren, auf die sich die Entstehung des Kultes um Elizabeth I in ihrer Regierungszeit zurückführen lässt.
Darüber hinaus kann diese Ambivalenz auch in der Figur der Königin selbst festgehalten werden. Zwar inszenierte sich Elizabeth I in den Bildern als zeitloses, gottähnliches Wesen, aber im Alltag strebte sie eine enge Verbindung zum Volk an. Die Bereitschaft der Königin, sich für ihr Volk zu opfern und alles zugunsten des Gemeinwohls zu unternehmen, wird an einer viel zitierten Stelle ihrer berühmten Ansprache vor den Truppen in Tilbury im Jahre 1588 deutlich:
I know I have the body of a weak and
feeble woman, but I have the heart and
stomach of a king – and of a king of
England, too. I think foul scorn that
Parma […] or Spain, or any prince
of Europe should dare to invade the
borders of my realm. To which, rather
than any dishonor shall grow by men, I
myself will take up arms. I myself
will be your general, judge, and
rewarder.
(Wiesner-Hanks 2005: 101)
Königin Elizabeth I, die eine Kombination aus Stärke, Durchsetzungsvermögen und weiblicher Eleganz verkörperte, gelang es, aus England ein florierendes Land zu machen und vor allem erneut Gemeinschaft zu stiften, ein Ziel, das sie bereits bei ihrer pompösen Krönungsprozession 28 Jahre früher erreicht hatte (vgl. Suerbaum 1989: 121). Heutzutage symbolisiert Elizabeth I immer noch die unkonditionierte Liebe zum Vaterland, da dieses Gefühl durch sie im 16. Jahrhundert initiiert und propagiert wurde: „England war […] das Land, dessen Andersartigkeit am stärksten empfunden wurde; es erschien Ausländern als zugleich faszinierend und fremd, in mancher Hinsicht bewundernswert, in mancher aber auch kurios und unverständlich.“ (Suerbaum 1989: 521)
2.2 Die Hochzeitsprozession als Zitat
Angesichts der Tatsache, dass das Ritual einen essentiellen Bestandteil des Kultes darstellt, wird im Folgenden anhand einer diachronen Vorgehensweise das Ritual der Hochzeitsprozession untersucht. Diese vollzieht sich jedes Mal nach einem genau festgelegten Schema, die Variation besteht darin, dass die Akteure andere sind. Der Ablauf eignet sich demnach als Zitat: Das Volk wartet enthusiastisch auf die Eheleute, die auf die Minute genau in die Westminster Abbey oder in die St. Paul’s Cathedral einziehen, wo die Trauung vom Erzbischof von Canterbury vollzogen wird. Anschließend verlässt das frischvermählte königliche Brautpaar das Gotteshaus und begibt sich mit der Kutsche auf den Weg zum Buckingham Palace, wo die Queen, das Brautpaar und die engsten Familienmitglieder auf den Balkon des Palastes treten und der Anblick des langersehnten Kusses endlich von den Zuschauern genossen werden kann. Dabei handelt es sich um einen magischen Moment, der die sonst unüberbrückbare Kluft zwischen dem einfachen Volk und den blaublütigen Hoheiten, die nicht zuletzt auch durch die räumliche Situierung der Aktanten zueinander akzentuiert wird, aufzuheben scheint. Im Gegensatz zu einer rein rezeptiven Haltung, die auf die Betrachtung der symbolisch aufgeladenen Gemälde, die Elizabeth I zeigen, angewandt werden kann, weist das Hochzeitsritual einen kommunikativen, performativen Charakter auf, denn es ermöglicht die Entstehung einer unmittelbaren Interaktion, auch wenn dies eine Illusion ist. Darüber hinaus handelt es sich um eine Inszenierung, die als „[…] Schlüsselbegriff eines konstruktivistischen Weltverständnisses [determiniert werden kann], demzufolge Wirklichkeit nicht vorfindlich existiert, sondern performativ hergestellt wird […]“ (Assmann 2007: 162), da sich alles innerhalb eines konstruierten Rahmens abspielt. Dennoch werden diese Momente von der Menschenmasse als Chance wahrgenommen, aktiv am Leben des britischen Königshauses teilzuhaben und so am Glück der Königsfamilie – einer ihnen fremden, obskuren Welt – zu partizipieren.
2.2.1 Die königliche Hochzeit 1947 und der Kult um Elizabeth II
Warum war Elizabeth II in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei vielen Menschen so beliebt – und ist es heute noch? Bereits in ihrer Jugend bewies die Prinzessin ihre Fähigkeit und ihre Bereitschaft, sich für ihr Volk einzusetzen. Sie verkörperte den benevolenten, philanthropen Menschen schlechthin und wies besondere Qualitäten auf, die für ihr Prestige von eklatanter Bedeutung waren. Da die Monarchie den Rahmen bildet, innerhalb dessen sich der Kult um Royals herauskristallisiert, kann die Queen als Stützsäule dieses Konstruktes betrachtet werden. Elizabeth II symbolisiert Stabilität und Harmonie, Attribute, die sich auch ihrer langjährigen, glücklichen, skandalfreien Ehe verdanken. Im Winter des Jahres 1947 heiratete Prinzessin Elizabeth am 20. November den britischen Kriegsmarineoffizier Lt. Sir Philip Mountbatten, ihren Cousin dritten Grades. Millionen von Menschen verfolgten die Hochzeit entweder vor Ort (vgl. BBC) oder im Radio. Sechs Jahre später wurde die Krönungsprozession sogar zum ersten Mal weltweit übertragen (Great Britain 1991: 5).
Allein der Anblick des Brautpaares, das so viel Glück und Zufriedenheit ausstrahlte, bestätigte damals, dass es sich um keine arrangierte Ehe handelte, sondern um eine Liebesverbindung. Angesichts des historischen Kontextes der unmittelbar vorausgegangenen Katastrophe des Zweiten Weltkrieges war die Hochzeit für die Menschenmasse ein Anlass zur Freude, da sie mit dem frischvermählten Paar eine gesellschaftliche Wiedergeburt sowie Hoffnung auf Nachwuchs und damit auf die Kontinuität der Monarchie assoziierte.
2.2.2 Die königliche Hochzeit 1981 und der Diana-Kult
Die königliche Hochzeit von Prince Charles und Diana Spencer, die am 29. Juli 1981 stattfand und diesmal nicht mehr in der Westminster Abbey zelebriert wurde, sondern in der St. Paul’s Cathedral, zog erstmals weltweite Aufmerksamkeit auf sich. Mit großem Enthusiasmus und voller Erwartung verfolgten über 750 Millionen Menschen die Feierlichkeiten (vgl. Berends 2006), ohne dabei ahnen zu können, dass das vermeintliche Glück des Brautpaares nur von kurzer Dauer sein würde.
Die Hochzeitsfeier von Charles und Diana war in vielfacher Hinsicht kultisch aufgeladen und avancierte dadurch zu dem Paradigma royaler Phantasmen: Nicht nur die Kutsche fungierte bei dieser Aufführung als märchenhaftes Element, sondern auch die Braut selbst. Zwar stammte Diana aus einer Adelsfamilie, aber ihr Beruf als Kindergärtnerin, ihre Schüchternheit und Bescheidenheit verliehen der Vorstellung vom britischen Königshaus eine neue und fremde, aber zugleich faszinierende Dimension: „She made the royal family human […]“, konstatiert Schriftstellerin Monica Ali rückblickend in einem Interview zu Beginn des Jahres 2011 (Ali 2011). Diana stärkte die Beziehung der königlichen Familie zum Volk, da sie das Bindeglied zwischen diesen zwei verschiedenen Sphären verkörperte. Plötzlich war es für Millionen von Frauen auf der ganzen Welt möglich, sich mit einem Mitglied der Königsfamilie zu identifizieren, zusammen mit diesem einen vermeintlich märchenhaften Traum zu erleben und die eigenen Sehnsüchte auf diese Person zu projizieren. Die Queen trat in den Hintergrund, und die Prinzessin von Wales rückte in den Fokus öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit, wobei sie auch selbst die Nähe zum Publikum suchte und sich dazu bereit erklärte, sich den Journalisten zu offenbaren (vgl. Coward 2008: 129). Jeder Schritt, den die Prinzessin machte, wurde akribisch verfolgt. Später trugen die vielfältigen Skandale, der Tabubruch der schließlich erfolgenden Scheidung, die offene Diskussion über Dianas Krankheit sowie das Leiden zur Konsolidierung ihres Kultstatus bei, und sie wurde zur ‚people’s princess‘, wie sie häufig genannt wird. Die Tatsache, dass die mit ihrem Leben verbundenen Ereignisse in zahlreichen Büchern und Filmen thematisiert und problematisiert werden, gilt als Indikator dafür, dass sie als Kultphänomen betrachtet werden kann. Dieser Status wurde durch den mythisch umrankten Tod – ein konstitutives Element für die Etablierung von Kultstars in der (Post)Moderne – weiter zementiert.
2.2.3 Die königliche Hochzeit 2011 und Catherine Mountbatten-Windsor als Diana-Nachfolgerin
Von einer magischen Aura umgeben war auch das königliche Event 2011, die Trauung von William und Kate, die am 29. April als pompöses Spektakel für ein Drittel der Weltbevölkerung inszeniert wurde (vgl. Bouarrouj 2011). Auffallend war bei dieser Hochzeitsprozession das Zusammenspiel von Tradition und Innovation, da ein noch stärker ausgeprägtes Gefühl der Nähe der königlichen Familie zum Volk erzeugt wurde und außerdem eine illusorische Transparenz zu herrschen schien. Angesichts der Tatsache, dass die Liebesgeschichte von William und Kate in den letzten Jahren von den Medien minutiös dokumentiert wurde, konnte die Präsenz des Verfremdungselements, derjenigen Distanz oder Obskurität, die früher mit jeder königlichen Trauung assoziiert worden wäre, nicht deutlich wahrgenommen werden. Die Begeisterung der Anwesenden sowie ihre Reaktion beim Anblick des Brautpaares repräsentierten eine vermeintliche Vertrautheit mit dem Brautpaar, die vielleicht als Movens der Entfaltung ihrer kultischen Verehrung fungieren kann.
Ähnlich wie bei den anderen Königspaaren machte die Braut auch diesmal Furore. Dennoch war sie nicht der einzige Publikumsmagnet, denn Philippa „Pippa“ Middleton, Kates Schwester und Brautjungfer, löste bei der Trauung eine unerwartete enigmatische Faszination aus. Sie gehört zwar nicht zum Königshaus, aber sie ist plötzlich seit der Hochzeit zur Medienattraktion geworden (vgl. Brennan 2011) und scheint allmählich Kultstatus zu entwickeln, eine Beobachtung, die eine postmoderne Ausdifferenzierung und Dekonstruktion der Beschränkung des Kultes auf Royals zum Vorschein bringt. Handelt es sich in ihrem Fall um wahren Kult oder verdankt sich die Verehrung, die sie erfährt, der Kontingenz, wodurch der von ihr ausgelöste Zauber einer ephemeren Erscheinung nahekäme? Ihre Schwester betreffend kann der öffentlichen Bewunderung trotz kritischer Stimmen nachgespürt werden, die sie im Laufe der Jahre als berechnend zu etikettieren versuchten. Einerseits erfährt Kate aufgrund ihrer Kraft Hochachtung, sich mithilfe ihrer Zielstrebigkeit und Konsequenz in einer für das Gros der Menschheit fremden Welt durchzusetzen. Andererseits wird sie verehrt, weil sie an Lady Di erinnert und ähnlich wie die ehemalige Prinzessin von Wales eine Identifikationsfigur mit Vorbildcharakter repräsentiert. Kate ist bereits vor der Hochzeit zur Modeikone stilisiert worden. Die Herzlichkeit und die Eleganz sind nur zwei der zahlreichen Eigenschaften, die sie kennzeichnen und die für viele Frauen als nachzueiferndes Vorbild gelten. Des Weiteren wird Kate zu Dianas Nachfolgerin stilisiert. Der Kult um Diana soll in der Liebesgeschichte von William und Kate fortgesetzt und weiter tradiert werden. Schließlich wurde medienwirksam in einem Interview bekannt gegeben, dass Kate Dianas Verlobungsring erhielt und weitere mediale Quellen propagieren darüber hinaus, dass zudem ein Stück von Dianas Brautkleid in Kates Hochzeitsrobe eingenäht worden sein soll (vgl. Adel Exklusiv 2011).
Das Hochzeitsfieber packte nicht nur das Königshaus oder die Briten, sondern Menschen auf der ganzen Welt, die schon einige Monate vor der Trauung damit begannen, in den Online-Shops nach Hochzeitssouvenirs zu stöbern. Ob es sich um die Hochzeitsprotagonisten William und Kate in Miniaturausgabe handelte oder um Porzellan, Spielkarten, Badetücher, Kalender, Bücher oder Tee, alle Vorlieben wurden bedient. Noch nie zuvor haben sowohl renommierte Labels als auch kleine Unternehmer von einer königlichen Hochzeit in solchem Maß profitiert und noch nie zuvor wurde eine königliche Hochzeit in solchem Maß vermarktet. Die Käufer betrachteten den Erwerb dieser Produkte als Chance, am Glück des Königshauses teilzuhaben. Damit war das Gefühl der Zugehörigkeit zur Königsfamilie hergestellt sowie die Vorstellung verbunden, dass sie selbst dadurch Teil des großen Spektakels sein könnten.
3. Résumé
Die britische Königsfamilie steht für Geschichte, Tradition und symbolisiert nationale Einheit und Zusammengehörigkeit. Viele Briten beharren auf den Glauben, die Monarchie stelle einen zentralen Bestandteil ihrer eigenen Identität dar. Die Vorstellung, dass es die Monarchie nicht mehr gäbe, wäre für diese Menschen mit einem Gefühl der seelischen Leere verbunden (vgl. Great Britain 1991: 1f). Zeremonien wie die Krönungs- oder die Hochzeitsprozession, die einen Ritualcharakter aufweisen, gewähren einem internationalen Publikum einen Einblick in die faszinierende, fremde, unerreichbare Welt des Königshauses. Von Neugierde beherrscht lassen sich die Menschen aus der ganzen Welt die Chance nicht entgehen, an solchen Ritualen teilzunehmen und in eine Sphäre einzutauchen, in der alles perfekt zu sein scheint und mit der sie Stabilität und Sicherheit assoziieren.
Früher war es nicht möglich, sich mit einem Mitglied der Königsfamilie zu identifizieren, und der Kult um Elizabeth I zeichnete sich durch Verfremdung und Opazität aus. Durch die Entwicklung der Medien (vgl. Great Britain 1991: 5) und insbesondere vor dem Hintergrund des Wandels der Wertmaßstäbe, der sich in der Aufnahme Diana Spencers und Kate Middletons in die Königsfamilie sowie in deren Verehrung widerspiegelt, wurde der Zugang zu der royalen Welt ermöglicht und ein Gefühl von vermeintlicher Transparenz vermittelt. In diesem Zusammenhang wird ersichtlich, dass kultische Verehrung ein epochenspezifisches Phänomen ist, das einem historischen Wandel unterliegt und demnach eine besondere Dynamik aufweist. Über das Medium Internet können die Menschen nun sogar vermeintlich mit den Royals in direkten Kontakt treten, sich virtuellen Gemeinschaften anschließen und selbst aktiv an der Kultbildung partizipieren. Dennoch muss gefragt werden: Ist diese Transparenz, diese Nähe zur Königsfamilie real oder eine Inszenierung? Kann es sein, dass die manchmal leicht zu Obsession neigende Verehrung der Königsfamilie, die durch die Medien propagiert wird, irgendwann dazu führen könnte, dass die wahre Signifikanz der Zeremonien in Vergessenheit gerät und schließlich nur der Rahmen, das inszenierte Spektakel von Bedeutung ist? Den Worten von Julian Barnes ist eine solche Überlegung bereits inhärent: „Religion decays, the icon remains; a narrative is forgotten, yet its representation still magnetizes […].“ (Barnes 2009: 133)
Literaturverzeichnis:
Assmann, Aleida: Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung. München 2007.
Barnes, Julian: England, England. New York 2000 [1998].
Barnes, Julian: A History of the World in 10½ Chapters. London 2009 [1989].
Coward, Ros: Chapter Ten: The monarchy. In: Bob Franklin (Hg.): Pulling Newspapers Apart. Analysing Print Journalism. New York 2008. S. 126–135.
Figl, Johann: Handbuch Religionswissenschaft: Religionen und ihre zentralen Themen. Innsbruck 2003.
Franklin, Bob (Hg.): Pulling Newspapers Apart. Analysing Print Journalism. New York 2008.
Great Britain: The Monarchy. London 1991.
Locke, John. The Works of John Locke, in ten volumes. London 1812. Vol. I. Book 2. S. 168.
Peters, Ulrike: Wörterbuch Religion: Grundwissen von A‑Z. München 2008. S. 162.
Prinz William und Kate. Das Geheimnis ihres Brautkleides. In: Adel exklusiv (6/2011). S. 12–13.
Sterne, Laurence: Tristram Shandy. With an Introduction by Cedric Watts. Hertfordshire 2009.
Suerbaum, Ulrich: Das elisabethanische Zeitalter. Stuttgart 1989.
Wiesner-Hanks, Merry E: An Age of Voyages 1350–1600. Oxford 2005.
Online-Quellen:
Berends, Monique: Diana & Charles: Die nicht-versilberte Traumhochzeit. In: stern.de. URL: http://www.stern.de/lifestyle/leute/diana-charles-die-nicht-versilberte-traumhochzeit-566317.html (zuletzt aufgerufen am 30.11.2011)
Bouarrouj, Meriam: Alice St. Clair on Playing Kate Middleton in ‘William & Catherine: A Royal Romance ‘. In: Examiner.com. URL: http://www.examiner.com/showbiz-in-national/alice-st-clair-on-playing-kate-middleton-william-catherine-a-royal-romance
(zuletzt aufgerufen am 30.11.2011)
Brennan, Zoe: Royal Wedding: The party hasn’t stopped for Pippa Middleton. In: The Telegraph. URL: http://www.telegraph.co.uk/news/uknews/theroyalfamily/8495893/Royal-Wedding-The-party-hasnt-stopped-for-Pippa-Middleton.html (zuletzt aufgerufen am 30.11.2011)
Elizabeth II’s wedding. In: BBC. URL: http://www.bbc.co.uk/history/events/elizabeth_iis_wedding (zuletzt aufgerufen am 30.11.2011)
Interview with Monica Ali. URL: http://www.scotsman.com/news/interview_monica_ali_author_1_1587159 (zuletzt aufgerufen am 30.11.2011)
Weiterführende Literatur zum Kult-Begriff:
Ritter, Joachim/ Gründer, Karlfried (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 4: I‑K. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976. S. 1300–1309.
Maria Silvana Nedelea Rusca, Jahrgang 1984, studiert Englisch und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit April 2010 ist sie als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Anglistik (The Shaftesbury Project) tätig.