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Miss Allie: Live in Ingolstadt in der Eventhalle Westpark
von Steven Gabber
Blickt man aktuell in die Sparte deutschsprachiger Singer-Songwriter*innen, stößt man unweigerlich auf die steile Aufwärtskurve der Liedermacherin. Seit nahezu einem Jahrzehnt liefert Miss Allie am laufenden Band einen Song nach dem anderen. Das Spektrum reicht von ernsten, politischen Liedern, die zum Nachdenken anregen über heiter-lustige Texte, die kein Blatt vor den Mund nehmen hin zu feministischen Songs der Extraklasse. Die Qualität dieser Werke spiegelt sich in der wachsenden Anzahl an Auszeichnungen wider, die Miss Allie für ihr Schaffen erhalten hat. Ihre jüngste, wohlverdiente Trophäe ist der Bayerische Kabarettpreis 2022 in der Kategorie Musik.
Zurzeit holt Miss Allie ihre Deutschland Tour nach, die sie pandemiebedingt verschieben musste. Am 4.11. führte sie ihr Weg nach Ingolstadt, wo sie vor rund 200 Zuschauer*innen mit ihrem aktuellen Album „Immer wieder fallen“ auftrat.
Miss Allies Bühne ist üblicherweise minimalistisch gestaltet. Ein Schriftzug, ein Teppich – auf diesem performt sie barfuß –, ein Gitarrenständer und ein Mikrofon, an dessen Ende ein Herz hängt. Kein Zufall, mit einer Prise Ironie nennt sich Miss Allie gerne die „kleine Sängerin mit Herz“. Doch wer glaubt, das sei ein Indiz für ein Konzert voller heiterer Chansons und Liebeslieder, wie sie bei zahlreichen anderen Liedermacher*innen an der Tagesordnung stehen, täuscht sich gewaltig. Miss Allies Lieder bestätigen keine Plattitüden und Klischees, sondern brechen diese clever auf und stellen sie für alle zur Schau. Ganz offensichtlich geschieht das in ihrem Song „Liebeslied“ – „ein Lieder über ‚ne Liebe, die es nicht mehr gibt.“ Miss Allie beschreibt den Song als kurze, schmerzlose und kostengünstige Methode, um eine unglückliche Beziehung zu beenden. Alles was man zu tun hat: Dem/der unliebsamen Partner*in dieses Lied vorspielen und sich aus dem Staub machen.
Während Miss Allies Liebeslied noch von der harmloseren Sorte ist, zieht „Dieter – Das Regeltagebuch“ schon ganz andere Saiten auf. Der Song bricht gnadenlos mit dem bis heute in vielen Kontexten bestehenden Tabu, offen über die Menstruation zu sprechen. Miss Allie übernimmt im Lied die Rolle eines Mannes – Dieter –, der es sich mit einer guten Fee verscherzt und nach einem Wink mit dem Zauberstab kurzerhand „untenrum ne Dieterin“ wird. Ab dann muss er drei Zyklen durchleben, die ihm den nötigen Respekt vor weiblicher Körperlichkeit einflößen sollen. „Eine Woche Blut, ein paar Tage geil. Eine Woche geht’s dir gut, dann wieder eine Woche Leid.“
Was die Live-Konzerte besonders auszeichnet, ist die interaktive Komponente, die Miss Allie an vielen Stellen einstreut. Ihre Konzerte sind alles, nur nicht monologisch. Ungehemmt stellt sie Fragen an das Publikum, baut Antworten sogar in ihre Lieder ein und ist sich nicht zu schade, den bayerischen Dialekt ihrer Zuschauer*innen auf die Schippe zu nehmen.
Die gute Nachricht für unsere Augsburger Leser*innen ist: Eine der nächsten Stationen ihrer Tour ist der Spectrum Club (Ulmer Str. 234A), wo sie am 22. November um 20 Uhr auftritt.