Die Entstehung der geschlechtlichen Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft
von Nina Gretschmann
Die HausÂfrau â ein Begriff, der in unseÂrem WortÂschatz ganz selbstÂverÂstĂ€ndÂlich und nicht wegÂzuÂdenÂken ist. Ob jung oder alt, jede PerÂson weiĂ sofort, was, bezieÂhungsÂweiÂse wer mit âHausÂfrauâ gemeint ist. Doch wie kam es dazu? War die Figur der HausÂfrau immer schon da, oder ist sie erst nach und nach entstanden?
In ihrem SachÂbuch Die ErfinÂdung der HausÂfrau â GeschichÂte einer EntÂwerÂtung geht die KulÂturÂwisÂsenÂschaftÂleÂrin Evke Rulffes dieÂsen FraÂgen nach und rekonÂstruÂiert, wie es ĂŒber die JahrÂhunÂderÂte hinÂweg zur EntÂwickÂlung der heuÂtiÂgen HausÂfrau kam.
Rulffes beginnt mit ihren NachÂforÂschunÂgen zur gesellÂschaftÂliÂchen StelÂlung der FrauÂen im frĂŒÂhen MitÂtelÂalÂter, als dieÂse zunĂ€chst noch handÂwerkÂliÂche TĂ€tigÂkeiÂten ausÂĂŒben konnÂten, wie beiÂspielsÂweiÂse das BierÂbrauÂen oder das StrumpfÂstiÂcken. Vom MitÂtelÂalÂter aus spannt die Autorin dann den Bogen ins 18. JahrÂhunÂdert und den damit verÂbunÂdeÂnen gesellÂschaftÂliÂchen VerÂĂ€nÂdeÂrunÂgen. Die AufÂklĂ€Ârung fĂŒhrÂte zu geschlechtsÂspeÂziÂfiÂschen RolÂlenÂzuÂweiÂsunÂgen: FrauÂen waren von da an fĂŒr das eigeÂne Heim, die SphĂ€Âre des PriÂvaÂten, zustĂ€nÂdig, wohinÂgeÂgen MĂ€nÂner auĂerÂhalb des HauÂses, sprich: in der ĂffentÂlichÂkeit, tĂ€tig sein sollten.
InfolÂgeÂdesÂsen entÂstand die RolÂle der âHausÂmutÂterâ â die VorÂstuÂfe der HausÂfrau, so wie wir sie heutÂzuÂtaÂge kenÂnen. Die HausÂmutÂter fĂŒhrÂte den komÂpletÂten HausÂhalt und hatÂte KnechÂte, MĂ€gÂde sowie gegeÂbeÂnenÂfalls eine DieÂnerÂschaft unter sich. WelÂche AufÂgaÂben dieÂse RolÂle fĂŒr die FrauÂen mit sich brachÂte, beschreibt etwa der GeistÂliÂche FriedÂrich ChrisÂtiÂan GerÂmersÂhauÂsen in seiÂnem 4500 SeiÂten starÂken RatÂgeÂber Die HausÂmutÂter (1771â1781). Rulffes geht auf den Inhalt des RatÂgeÂbers sehr ausÂfĂŒhrÂlich ein. Mehr als die HĂ€lfÂte ihres Buches befasst sich mit der HausÂmutÂter und den oftÂmals sehr skurÂriÂlen RatÂschlĂ€Âgen und Tipps, welÂche GerÂmersÂhauÂsen an die weibÂliÂchen LeseÂrinÂnen weiÂterÂgibt. Rulffes lieÂfert darÂĂŒber hinÂaus vieÂle AnekÂdoÂten zu den GewohnÂheiÂten und GebrĂ€uÂchen der damaÂliÂgen Zeit, welÂche zuweiÂlen nur indiÂrekt oder sehr entÂfernt mit der âErfinÂdung der HausÂfrauâ zu tun haben.
Im letzÂten DritÂtel des Buches erfĂ€hrt die Leser*innenschaft unter andeÂrem, wie es fĂŒr die FrauÂen im 19. JahrÂhunÂdert weiÂterÂging und wie sich ihre RolÂle langÂsam von HausÂmutÂter zu HausÂfrau zu verÂschieÂben begann.
DarÂĂŒber hinÂaus theÂmaÂtiÂsiert die KulÂturÂwisÂsenÂschaftÂleÂrin auch die GeschlechÂterÂwelt des 20. JahrÂhunÂderts und berichÂtet darÂĂŒber, wie es fĂŒr FrauÂen wĂ€hÂrend des zweiÂten WeltÂkriegs zeitÂweiÂse wieÂder mögÂlich war, mĂ€nnÂliÂche BeruÂfe auszuĂŒben.
DieÂse BeschĂ€fÂtiÂgunÂgen mussÂten sie jedoch wieÂder abgeÂben, als die MĂ€nÂner vom Krieg zurĂŒckÂkehrÂten. Daher ging es in der zweiÂten HĂ€lfÂte des 20. JahrÂhunÂderts fĂŒr die FrauÂen als HausÂfrauÂen weiÂter. Im GegenÂsatz zum BerufsÂstand der HausÂmutÂter, verÂfĂŒgÂte die moderÂne HausÂfrau ĂŒber keiÂnerÂlei PerÂsoÂnal. Die ArbeiÂten, welÂche im HausÂhalt anfieÂlen, mussÂte sie alleiÂne bewĂ€lÂtiÂgen. Trotz TechÂniÂsieÂrung wurÂde die HausÂarÂbeit nicht weniÂger anstrenÂgend, doch AnerÂkenÂnung und WertÂschĂ€tÂzung reduÂzierÂten sich zunehÂmend, so Rulffes. Die TĂ€tigÂkeiÂten der HausÂfrau wurÂden selbstÂverÂstĂ€ndÂlich â Dank oder BezahÂlung gab es keine.
Rulffes bieÂtet mit Die ErfinÂdung der HausÂfrau ein umfasÂsenÂdes Werk zur EntÂsteÂhung der geschlechtsÂspeÂziÂfiÂschen RolÂlenÂzuÂweiÂsung von Frauen.

Evke Rulffes, Die ErfinÂdung der HausÂfrau. GeschichÂte einer EntÂwerÂtung, 288 SeiÂten, HarÂper CollÂins, 22,00 âŹ.
Leser*innen, die sich jedoch ausÂschlieĂÂlich fĂŒr die EntÂsteÂhung der gesellÂschaftÂliÂchen RolÂle der (Haus-)Frau interÂesÂsieÂren, könnÂten stelÂlenÂweiÂse entÂtĂ€uscht werÂden, aufÂgrund der vieÂlen sehr allÂgeÂmein gehalÂteÂnen AnekÂdoÂten ĂŒber etwaÂige BrauchÂtĂŒÂmer der damaÂliÂgen Zeit oder die SchwerÂpunktÂsetÂzung auf den GerÂmersÂhauÂsen-RatÂgeÂber, desÂsen Werk weniÂger die hisÂtoÂriÂsche ReaÂliÂtĂ€t porÂtrĂ€Âtiert, als dass es vielÂmehr seiÂne eigeÂnen IdeÂalÂvorÂstelÂlunÂgen von FrauÂen proÂpaÂgiert. Eine noch kriÂtiÂscheÂre AusÂeinÂanÂderÂsetÂzung mit der HausÂmutÂter wĂ€re oftÂmals wĂŒnÂschensÂwert geweÂsen, da Rulffesâ BezugÂnahÂme darÂauf stelÂlenÂweiÂse eher einem NachÂerÂzĂ€hÂlen, bezieÂhungsÂweiÂse einer PrĂ€ÂsenÂtaÂtiÂon desÂsen Inhalts, gleichÂkommt. DenÂnoch wird die EntÂwerÂtung des Berufs der HausÂmutÂter soliÂde und verÂstĂ€ndÂlich behanÂdelt und die Leser*innenschaft erhĂ€lt einen detailÂlierÂten ĂberÂblick ĂŒber die RolÂle und die StelÂlung der Frau in der GesellÂschaft sowie innerÂhalb der FamiÂlie vom frĂŒÂhen MitÂtelÂalÂter bis heute.